Emotionsloses Auswahlverfahren

JOBSUCHE Die Stadtverwaltung in Celle hat ein Jahr lang nur anonymisierte Bewerbungen angenommen und zieht eine positive Bilanz. Vorurteile der Personaler könnten mit dem Verfahren umgangen werden

Ein Jahr lang hat die Stadtverwaltung Celle als einer von bundesweit acht öffentlichen und privaten Arbeitgebern das „Anonymisierte Bewerbungsverfahren“ der Antidiskriminierungsstelle des Bundes (ADS) getestet. Kein Foto, kein Name, kein Alter, keine Zeitbezüge – bei der Bewerbung sollte es schlicht um die Qualifikation gehen. Celles Oberbürgermeister Dirk-Ulrich Mende zieht eine positive Bilanz und wird das Verfahren fortführen.

„Natürlich hat man sonst immer erst die Bewerbungsmappe rausgeholt und das Foto angeschaut“, sagt Mende. „Das weckt aber unweigerlich Emotionen und verstellt den Blick auf die rein fachlichen Voraussetzungen.“ Mit dem anonymisierten Verfahren über einen Online-Fragebogen könne man die Vorurteile der Personaler umgehen und gezielter Bewerber einladen. Außerdem vermeide man Posten-Kungeleien im öffentlichen Dienst, weil man im ersten Schritt schlicht nicht wisse, wer sich beworben hat. Erst wenn die Bewerber zum Gespräch geladen werden, kämen alle Daten auf den Tisch. Vorurteile könnten im Gespräch natürlich dennoch zum Tragen kommen, aber die erste Hürde sei viel leichter zu nehmen. „Wir bekommen so Zugang zu Menschen, die sich sonst vielleicht nicht beworben hätten“, sagt Mende.

„Es war ein Lernprozess“, sagt der Personalchef der Celler Stadtverwaltung, Jockem Birkholz. Die Rückmeldungen hätten gezeigt, dass Abteilungsleiter und Personaler Foto, Zeugnisse, Alter und Geschlecht vermissten. „Das hat uns gezeigt, dass wir an unseren Auswahlkriterien arbeiten müssen“, sagt Birkholz. „Denn wir wollen nicht, dass die alleinerziehende Mutter bewusst oder unbewusst wegen ihres Umfeldes aussortiert wird.“ Mit den anonymisierten Bewerbungen, so auch die bundesweite Auswertung der ADS, hätten vor allem Frauen und Migranten mehr Chancen auf ein Vorstellungsgespräch.

Jan-Christoph Oetjen (FDP) hat sich dafür ausgesprochen, anonyme Bewerbungen auch in der Landesverwaltung zu nutzen. Das Ergebnis des Pilotversuchs zeige, dass anonyme Bewerbungen für Chancengleichheit sorgen könnten.  ILK