was wir noch zu sagen hätten #8
: Was Grenzen nicht sein dürfen

Du musst nur die Straße runterfahren, dann bist du in Frankreich“, erklärt die Freundin, die ich letztens im Saarland besuchte. Wenig später sitzen wir im Auto und fahren besagte Straße runter nach Sarreguemines. Beim Überqueren der deutsch-französischen Grenze erinnere ich mich, wie ich als Kind zum ersten Mal über eine Landesgrenze fuhr. Ich weiß noch, wie enttäuscht ich war. „Man sieht ja gar nichts“, dachte ich. Kein Zaun, keine Mauer, nicht mal eine Linie auf dem Boden. Eine Grenze, die man auf der Landkarte sehen kann, aber nicht in echt? Das widersprach meiner kindlichen Vorstellung.

Im Unterricht hatte ich über die ehemalige innerdeutsche Grenze gelernt, die einst die DDR von der BRD trennte. Erlebt habe ich sie nicht, ich bin zu jung. Aber ich wusste, dass die Grenzübergänge zwischen West- und Ostdeutschland aus hohen Zäunen bestanden und von bewaffneten Soldaten bewacht wurden. Das hatte damals mein Bild von Grenzen geprägt.

Foto: Foto:  Anke Phoebe Peters

Nisa Eren, Jahrgang 2000, studiert Geografie, ist taz-lab-­Redakteurin und arbeitet mit geflüchteten Kindern und Jugend­lichen.

Dass Deutschland mal geteilt war, konnte ich mir nur schwer vorstellen. Und auch jetzt finde ich Landesgrenzen noch immer ziemlich abstrakt. Gleichzeitig ist ihr Einfluss ganz konkret. Die Grenze zu Frankreich spielt für mich als deutsche Staatsbürgerin zum Beispiel kaum eine Rolle, wenn ich sie im Auto überquere. Wie kann das sein, während im Mittelmeer Menschen ertrinken, weil der „Schutz“ der europäischen Außengrenzen über ihr Leben gestellt wird? Als wäre die Grenze eine Linie, hinter der unsere Werte und Verantwortung plötzlich aufhören, hinter der Menschenleben weniger wert sind. Ich weiß, dass Grenzen eine Form der Organisation der Welt sind. Was sie nicht sein dürfen, ist eine Form der gewaltsamen Ausgrenzung, der Abwertung, der Entmenschlichung. Nisa Eren

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