Reif für den Rollkoffer

Jetzt wird’s hart! Die beutelartigen, aber weltweit beliebten Radtaschen bekommen Konkurrenz: Fahrradboxen und Trolleys aus steifem Polycarbonat. Sie sind stabil genug für wilde Abenteuer und schick genug fürs Mehr-Sterne-Hotel

Eigentlich macht der junge Mann einen gut gelaunten Eindruck. Doch plötzlich schleudert er ein kofferähnliches Etwas auf den Boden und setzt nach. Tritt zu. Stellt sich drauf. Das Material unter ihm scheint die Grenze der Belastbarkeit erreicht zu haben, die Fasson ist bereits arg verknautscht. Aber nur kurzfristig: Kaum ist Rumpelstilzchen abgestiegen, verschwinden die Ausbeulungen fast von alleine.

Dargeboten wurde dies auf einer der Messen, wo Fahrrad- und Freizeitausrüster ihre Neuheiten für 2005 vorstellten. Die schier unverwüstlichen Hinterradboxen zeigte die Firma Ortlieb und sprach gleich von „richtigen Weltneuheiten“. Sie sollen die Radwelt verändern, die Abkehr von der traditionellen Radtasche einläuten. Zwar gibt es schon seit Jahren die kleinen Kisten aus Alu und aus ähnlich steifem Material, allein die Masse der Radler kauft sie nicht. So hat auch Ortlieb bislang – wie die meisten anderen Hersteller – seine Behältnisse ausschließlich aus Kunststoffgewebe und -folien geschneidert, Taschen, Beutel, Rucksäcke eben. Jetzt also doch die feste Form, eine Hartschale aus Polycarbonat, einem harten und zugleich elastischen Thermoplast. Vornehmste Eigenschaft: bruchsicher, den Inhalt sicher schützend. Aber natürlich sollen die Harten auch leicht und wasserdicht sein – man will ja schließlich nicht das aufgeben, was bei hochwertigen Radtaschen schon längst Standard ist. Außerdem haben sie einen Reißverschluss, der mittels Zahlenschloss abschließbar ist.

Welche Menschen Ortlieb damit erfreuen möchte, verrät der neueste Katalog. Da sehen wir die Lady im Business-Kostüm, die mit einem der neuen Produkte straight zum Flieger eilt. Und es tritt ein Pärchen auf, das unter all den juvenilen Welteroberungs-Models einfach auffallen muss: in die Jahre gekommen, grauköpfig, proper. Radreisende, denen ein paar ungebügelte T-Shirts und die kurze Hose im Gepäck nicht reichen werden. Menschen mit Ansprüchen halt. Reif für den Rollkoffer. „Shuttle“ heißt er, wiegt 2.800 Gramm und fasst 25 Liter. Das richtige Format für den herkömmlichen Gepäckträger. Damit er dort rüttelfrei transportiert werden kann, liefert der Produzent gleich den Adapter mit. So lässt sich die Halteplatte der Kofferbox ohne Anstrengung ein- und ausrasten. Und auch sonst hat der Trolley das, was man von so einem Typ erwartet: kleine Rollen und Teleskopgriff für die kurzen Wege zwischendurch, Standfüße und im Inneren gepolstertes Futter und Kreuzspanngurt.

An den gleichen Adapter lassen sich dann noch rechts und links zwei Fahrradseitenkoffer einklinken, so dass sie wie Radtaschen seitlich am Gepäckträger hängen. So eine „Tour-Box“ schluckt nicht ganz so viel wie ein Trolley (19 Liter), ist aber aus dem gleichen Kunststoff gemacht und insofern genauso widerstandsfähig. Diese Boxen sind einzeln zu haben und werden auch separat angebracht – mit Hilfe des bekannten selbstarretierenden „Quick-Lock2“-Aufhängesystems. Für den fußläufigen Stadtbummel gibt’s einen Schultergurt, auch zwei Handgriffe bieten ihre Dienste an. Der Wille zur Multifunktionalität ist bei Ortliebs Hartschalen-Produkten klar erkennbar. Ebenso wie die Absicht, das komplette Ensemble überaus seriös erscheinen zu lassen. Gemacht für Radtouristen, die lieber vorm Mehr-Sterne-Hotel vorfahren als ins Zelt kriechen. Andererseits erscheinen die Boxen auch fürs Abenteuer geeignet: hart im Nehmen. HELMUT DACHALE

Laut Herstellerempfehlungen kostet der Radtrolley „Shuttle“ 149,95 Euro (inklusive Gepäckträgeradapter), eine „Tour-Box“ 99,95 Euro.