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: „Step into Liquid“

Im Kinosaal wird man vielleicht nicht so nass wie in den haushohen Wellen vor der Küste Hawaiis. Dafür ebenso taub, dank der Surround-Sound-Anlage, die einem den vollen Wasserberge-Wumms um die Ohren haut. Wenn auf der Leinwand mal wieder einer dieser Zehn-Meter-Brecher ungebremst auf die Zuschauer stürzt, sollte man seine Popcorn-Tüte besser festhalten. Da bebt der Kinoboden.

„Keine Spezialeffekte. Keine Stuntmen.“ Nur ehrliches Draufgängertum, viel Sonne und „der Mensch als surfendes Wesen“. Regisseur Dana Brown hat einen Film gemacht über Leute, die sich mit einem Brett aufs Wasser stellen und optimistisch hoffen, dass der Gott der Schwerkraft einen glücklichen Augenblick lang genau für sie eine Ausnahme macht: spektakulär bei den Extremsurfern, die sich an der Leine von Wasserscootern auf gewaltige Wellenberge ziehen lassen, Spaß fördernd bei den Schulkindern, die sich erstmals aufs Meer wagen. Die Surf-Dokumentation „Step into Liquid“ feiert die Spitzenleistungen einer Hand voll Profis weltweit ebenso wie das Surfen als Massensport, dem bereits Vierjährige verfallen und der in Australien genauso möglich ist wie in Irland.

Hatte man eine Zeit lang glauben können, „Surfen“ sei nur noch diese Sache mit dem Internet, hat das Thema dieser Tage wieder auffällige Konjunktur: Im Juli kommt mit „Riding Giants“ bereits die nächste Surf-Doku in die Kinos, und Brian Wilson ist ja auch wieder auf Tour. Dana Brown, Sohn von Surffilm-Veteran Bruce Brown („The Endless Summer“), zeigt bei allen beeindruckenden Szenen weniger „Giganten“, als eine Reihe von Individuen, für die das Surfen jeweils eine ganz persönliche Erfüllung bedeutet. Wie etwa im Fall des beim Surfen verunglückten, querschnittsgelähmten Jungen, der sich trotz allem mit Hilfe seiner Freunde wieder auf die Wellen stürzt. Leider übertönender Ethnokitsch-Soundtrack und der Zwang zur guten Laune solche seltenen nachdenklichen Momente. Ständig haben alle jede Menge Spaß. Surfen lässt nicht nur jeden gut aussehen, es fördert auch das Zusammensein, die Nächstenliebe, die Emanzipation der Frau, den Frieden und die Verständigung zwischen den Völkern der Welt. Nach knapp anderthalb Stunden Surf-Philosophie fehlt im Grunde nur der Nobelpreis für die Beach Boys. Was ja nicht so unsympathisch wäre.

DIETMAR KAMMERER

„Step into Liquid“. Regie: Dana Brown, Dokumentarfilm, USA 2003, 88 Min.