Verpasst?
: Der Super-Pilawa

„Der große Erziehungstest“, 20.15 Uhr, ARD

Gegen Ende der Sendung hätte man Toni gern die Streberhand heruntergebogen und ihn mit mahnendem Blick angeraunzt: „Du hältst jetzt einfach mal die Klappe, Toni.“ Der achtjährige Sachse saß bei Jörg Pilawa an diesem Abend gemeinsam mit vier weiteren Kindern im Studio, um beim „Großen Erziehungstest“ die Antworten der anwesenden C-Prominenz zu kommentieren. Und gern kam er dieser Aufgabe nach. Immer wieder hob er an, von seiner „Mutti“ zu berichten, die ihm dieses verbot und jenes erlaubte.

Tonis Naseweisheit machte einmal mehr klar, warum „Erziehung wirklich ein Problem“ (Pilawa) sein kann. Im Zuge der allenthalben geforderten neuen Wertevermittlung im Kinderzimmer wurde die geladene C-Prominenz gebeten, ihre Ansichten hierüber qua Multiple-Choice-Test zum Besten zu geben. Da saßen Johannes B. Kerner neben seiner angenehm wortkargen Frau Britta Becker, das Ehepaar Fuchsberger, die Krawalltüten Assauer & Thomalla, das seltsam unstoffliche Paar Du Mont sowie Pfarrer Fliege und Noch-Familienministerin Schmidt.

Eines hat der „Erziehungstest“ klar gemacht: Das Zusammenleben von Eltern und Kindern gilt offenbar als Kriegsschauplatz. Anders ist kaum zu erklären, dass die Fragenkomplexe Titel führten wie „Anstand und Benehmen“, „Charakter und Persönlichkeit“ sowie „Disziplin und Ordnung“. Kinder stehen demnach grundsätzlich unter Generalverdacht, und Eltern sollten wohl gleich durchladen und abdrücken. Wenn sie zum Beispiel den Verdacht haben, ihr 16-jähriger Sohn würde kiffen, empfiehlt der der Sendung zugrunde liegende Test des Bielefelder Erziehungswissenschaftler Klaus Hurrelmann nämlich, das Kinderzimmer auf Beweise zu durchsuchen und den Delinquenten zur Rede zu stellen.

„Mit Verboten arbeiten, Grenzen setzen – das sieht sehr gut aus“, freute sich da Herr Pilawa. Wer über Kinder im entsprechenden Alterssegment verfügt, weiß, dass nach so einer Nummer das nächste Taschengeld in ein anständiges Vorhängeschloss investiert werden wird. Herr Kerner übrigens hatte für die Hausdurchsuchung plädiert. Seine Tochter ist vier Jahre alt.

Dass die ARD versucht, den Privaten – und vor allem RTL – das „Super Nanny“-Format nicht kampflos zu überlassen, ist verständlich. Dass sie aber statt des bislang gängigen Sozial-Voyeurismus auf neokonservative Pädagogikkonzepte setzt, ist beschämend. Selbst der C-Prominenz im Studio fehlte es gegen Ende der Sendung an der notwendigen Ernsthaftigkeit: Sky Du Mont stieß während der Auswertung ungeniert auf, und die Ostlerin Simone Thomalla lachte sich nur noch weg. ANJA MAIER