meinungsstark
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Die Wahrheit stirbt hinter Gittern

„Wikileaks und Informationsfreiheit: Assanges letzter Rechtsweg? Ein Gericht soll entscheiden, ob Julian Assange ein Recht auf Berufung hat. Seine Frau erhebt erneut schwere Vorwürfe gegen die CIA“, taz vom 19. 2. 24

Zu Assanges letztem Rechtsweg fällt mir spontan der Regimekritiker Alexei Nawalny ein. Dieser wurde wegen seiner Benennung der Wahrheit in Russland zu Tode gebracht. Wikileaks-Gründer Julian Assange brachte die Wahrheit über Kriegsverbrechen an die Öffentlichkeit und wurde verfolgt, sitzt seit Jahren in Einzelhaft. Das hat – wie bei Nawalny – zu erheblichem gesundheitlichem Schaden geführt, der lebensbedrohlich ist. Der Westen verurteilt einhellig die Behandlung und den Tod von Nawalny, geht aber mit Kritikern aus den eigenen Reihen nicht viel anders um als Russland. Wo ist da der Unterschied? Eigentlich sollte es einen geben und zwar in der Form, dass man Assange endlich freilässt. Harry Lang

Die ganze Vorgeschichte erzählen

„Buch über Wolodymyr Selenskyj: Weisheit und Kriegsrecht. Der Journalist Simon Shuster ist so nah dran an Selenskyj wie kaum jemand“, wochentaz vom 17. 2. 24

Interessanter Blick auf Selenskyj. Schade aber, dass auch in diesem taz-Artikel die vollständige Vorgeschichte des Ukraine-Konflikts ausgeblendet wird. Zitat: „Der Konflikt begann mit der völkerrechtswidrigen Annexion der Krim.“ Als habe es ukrainische Sprachgesetze (2012), Entfernung russischer Namen, Verbrennungen russischer Bücher schon 1993 und Gewalttaten ukrainischer Nationalisten nicht gegeben. Richtig ist, dass mit der Annexion die bewaffneten Auseinandersetzungen begannen. Wie in der Ukraine aber gegen die russische Minderheit (im Donbass sogar die Mehrheit) vorgegangen wurde, würde andernorts als übelste Rassenpolitik bezeichnet und könnte ein Lehrstück sein, wie man durch schlechten Umgang mit verschiedenen Bevölkerungsgruppen Konflikte verursacht. Ich habe nie verstanden, dass dieser Konflikt bei uns im Westen ausschließlich als imperialer Übergriff Russlands angesehen wird, anstatt auch dieses Verhalten zu hinterfragen. Elisabeth Jalbert, Hamburg

Die Stunde der Stöckchenspringer

„Nato-Treffen zu Ukraine: Militärbündnis ohne Plan B“,

taz vom 15. 2. 24

Der Kommentar von Eric Bonse auf der Titelseite der taz hat mir aus dem Herzen gesprochen. Es ist unglaublich, welche Reaktionen eine Äußerung des Noch-nicht-Präsidenten Trump hervorbringt. Man hat das Gefühl, als hätten einige Leute nur darauf gewartet, sich mit alten, überwunden geglaubten Aufrüstungsfantasien profilieren zu können. Diese „Übers-Stöckchen-Springer“ machen wirklich Angst.

Bärbel Lutz-Saal, Frankfurt am Main

Mörder und Militärpsychiater

„Der ganz normale Wahnsinn“, taz vom 6. 2. 24

Sie stellen in dieser Kolumne das neue Buch von Harald Sandner „Wenigstens 12 Jahre anständig gelebt“ über Hermann Göring vor, in dem dessen Verhältnis zu seinen Psychiatern im schwedischen Exil thematisiert wird. Es wird auch erwähnt, dass Göring zwanzig Jahre später, 1945, erneut psychiatrisch untersucht wurde, diesmal von dem amerikanischen Militärpsychiater Douglas M. Kelley, der 1958 auf dieselbe Weise Selbstmord beging wie Göring, nämlich mit einer Zyankali-Kapsel. Hier hätte zur Vervollständigung der damaligen Vorgänge auf das bereits 2018 auf Deutsch erschienene Buch „Der Nazi und der Psychiater“ von Jack El-Hai (Die andere Bibliothek, Berlin 2018) hingewiesen werden können, in dem der Verfasser, ein amerikanischer Wissenschaftsjournalist, die Begegnung Görings und Kelleys anhand unveröffentlichter Dokumente aus Kelleys Nachlass aufrollt.

Ich selbst fand als Psychologin den Teil des Werkes, der sich mit den im amerikanischen Militär praktizierten psychologischen Methoden von vor 1945 befasst, hochinteressant.

Isolde Vetter, Karlsruhe