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Andreas Spechtl über Rechtspopulismus„Faschisten wollen umgraben“

Andreas Spechtl über Rockgitarren auf dem neuen Album seiner Austro-Band Ja, Panik, den Reiz von Grenzorten und das Selbstverständnis von Rich Kids.

Kein böses Omen: Ja, Panik und Andreas Spechtl, zweiter von rechts Foto: Luca Celine
Interview von Marius Magaard

taz: Andreas Spechtl, spielen Sie eigentlich gerne Gitarre?

Andreas Spechtl: Ja, sehr gerne. Ich hab es ein bisschen vernachlässigt die letzten Jahre, aber wenn es mit dieser Bandkarriere nichts geworden wäre, dann wäre ich wahrscheinlich Gitarrenlehrer oder Musiklehrer geworden. Früher hatte ich das auch mal richtig ernsthaft verfolgt und wollte aufs Konservatorium. Die alte Leidenschaft habe ich für die neuen Songs wieder ein bisschen aufgewärmt.

Ihr neues Album „Don’t Play With The Rich Kids“ fühlt sich auf jeden Fall im Vergleich zu den Vorgängern sehr gitarrenlastig an. Warum haben Sie sich für diesen rockigen Sound entschieden?

Den Vorgänger „Die Gruppe“ haben wir nach einer sechsjährigen Kunstpause aufgenommen. Und als es dann 2021 ins Studio ging, hat direkt die Pandemie begonnen. Die Musik war sehr stark ausproduziert, da wir kaum Zeit gemeinsam verbringen konnten. Der Prozess war sehr hermetisch. Touren ging natürlich auch nicht. Das heißt, wir konnten erst anderthalb Jahre später wieder richtig gemeinsam in einem Raum Musik machen – und in Wahrheit war das eigentlich erst der Moment, in dem wir als Band wieder zusammengefunden haben. Mit dieser Live-Energie sind wir dann direkt die Songs für das jetzige Album angegangen.

Und der Rocksound?

Im Interview: Andreas Spechtl (Ja, Panik)

2005 starteten vier Burgenländer in Wien die Band Ja, Panik. Mit Alben wie „The Angst And The Money“ begründete das Quartett eine spezifisch österreichisch-pessi­mistische Form von Diskurspop. Berühmt-berüchtigt sind etwa ihre denglischen Songtexte und system­kritischen Manifeste. Neben ihren Alben veröffentlichten die Musiker auch Gedrucktes wie „Das große bunte Kochbuch der Gruppe Ja, Panik“ und die semifiktionale Bandbiografie „Futur II“ (Verbrecher Verlag). Aktuell besteht die Band aus Andreas Spechtl (Gesang, Gitarre), Sebastian Janata (Drums), Stefan Pabst (Bass) und Laura Landergott (Keys, Gitarre).

Am 2. Februar erscheint das neue Album „Don’t Play With The Rich Kids“ (Tapete/Indigo). Die Tour beginnt am 10. April 2024 im Trafo in Jena.

Was mich lange am Sound der Gitarre gestört hat, war, dass sie für mich immer so authentisch und handgemacht klingt. Dieses Klangbild wollten wir unterwandern: Gerade die Gitarren haben wir daher stark verfremdet. In Songs wie „Dream 12059“ ist sie digital verzerrt und die Bitrate heruntergerechnet, so wie man es eher in der elektronischen Musik macht. Das heißt: Die Synthesizer klingen hier eigentlich echter als die Gitarren.

Und dennoch enden Sie das Album im Finale „Ushuaia“ mit einem siebenminütigen Gitarrensolo, das man durchaus als „gniedelig“ bezeichnen könnte.

Das ist auf jeden Fall der Moment, der am meisten live ist. Das war so ziemlich das letzte, was wir im Studio aufgenommen haben. Ist eigentlich aus einem Spaß entstanden, alles war ja eh schon voll mit Gitarren … Dann haben wir aus Übermut noch einen 20-Minuten-Jam aufgenommen. Sehr lustig! Wir haben uns generell vorgenommen, dass wir auf diesem Album mehr die humorige Seite von Ja, Panik durchkommen lassen.

Ist ja auch nicht das erste Mal, dass ein Ja, Panik-Album mit einem exzessiven Song endet. Das Finale von „DMD KIU LIDT“ (2011) umfasst 14 Minuten und 1.300 Wörter.

Ja, genau das ist unser Spiel mit den Erwartungen.

Vielleicht ist der Rocktouch auch ein bisschen zu dick aufgetragen. Insgesamt sind Sie sehr vielseitig aufgestellt. Da gibt es zum Beispiel den Song „Hey Reina“ mit Ravebeat und Autotune-Gesang.

Das ist auf jeden Fall das speziellste Stück auf dem Album. Da haben wir uns zum ersten Mal mit Stimmeffekten auseinandergesetzt. Früher wäre das bei uns wahrscheinlich eine ziemlich punkige Nummer geworden. In der Mitte gibt es einen Teil, in dem jemand wie am Spieß schreit, aber halt mit Autotune verfremdet. Dann kommt später ein Gospelteil, der plötzlich ganz naturalistisch und folkig klingt. Auf jeden Fall eines meiner liebsten Stücke, gerade weil es so herausfällt.

Sie befinden sich gerade in Argentinien, richtig?

Genau, in Córdoba. Ich bin erst vor zwei Tagen hier angekommen.

Dort wurde auch ein Großteil der Songs für das Album komponiert. Wie hat über die Entfernung zwischen zwei Kontinenten die Zusammenarbeit mit Ihrer Band funktioniert?

Trennung waren wir ja schon von der Pandemie gewohnt, dass wir auch aus der Ferne zusammenarbeiten können. Und auch schon vorher: Bereits bei „Libertatia“ (2014) haben wir begonnen, uns immer Demos hin und her zu schicken. Das funktioniert bei uns sehr gut.

Besagter Song „Ushuaia“ ist nach der südlichsten Stadt benannt – nicht nur von Argentinien, es ist die südlichste Stadt der Welt. Was verbindet Sie mit diesem Ort?

Als ich ihn komponiert hatte, war ich nicht vor Ort. Bis heute war ich da nicht. Der Song beschreibt eine geträumte, erfundene Reise. Je mehr ich in der Welt herumkomme, desto mehr faszinieren mich Grenzorte. Ich komme selber aus einem 300-Einwohner-Kaff in Österreich und konnte von dort zu Fuß nach Ungarn gehen. Als ich geboren wurde, war noch der Eiserne Vorhang, den konnte man von unserem Haus aus sehen. An diesen Grenzorten ergeben so viele unserer Konzepte keinen Sinn mehr: Sprache, Landschaft, Kultur, alles verschwimmt und bekommt so einen nichtigen Charakter. So eine Anziehung hab ich auch zu Ushuaia, der letzte Grenzort der Welt, vor Antarktika.

Wie hat es Sie überhaupt nach Argentinien verschlagen?

Also, ich habe mir Argentinien nicht ausgesucht, Argentinien hat eher mich ausgesucht. Meine Partnerin arbeitet für den Deutschen Akademischen Austauschdienst. Eigentlich hatte sie sich für Mexiko beworben, doch dann wurde es Argentinien.

Nun ist der Rechtspopulist Javier Milei, der neue argentinische Präsident, Anhänger der wirtschaftslibertären „Österreichischen Schule“. Holt Sie die alte Heimat doch irgendwie wieder ein?

Haha, ja, anscheinend. Bis jetzt sind alle hier sehr gespannt. Ich bin ja gerade erst aus Europa wieder hierher zurückgekehrt. Bei meiner letzten Abreise wurde Milei gerade gewählt. Der ist auf jeden Fall ein totaler lunatic … Unser Freundeskreis ist hier total im Schock. Zum Glück hat er keine Mehrheit im Parlament. Und Argentinien hat sehr starke Gewerkschaften und eine einflussreiche Frauenbewegung. Alle außerparlamentarischen Bewegungen sind hier historisch gewachsen. Also muss man sich erst einmal anschauen, was der wirklich umsetzen kann. Aber es ist natürlich für viele Leute hier eine absolute Katastrophe.

Die ganze Welt scheint ob eines erstarkenden Rechtspopulismus in Alarmstimmung: Eine Parole Ihres Albums ist „Fascism Is Invisible“. Wie kann man das denn heutzutage behaupten?

Es ging mir um genau das, was alles in den Hinterzimmern passiert. Also, all das die Gesellschaft unterwandern wollende Getue der Rechten in den letzten Jahren, speziell in Österreich. Und dann hat sich der Titel vor zwei Wochen mit der Berichterstattung über das rechtsextreme Geheimtreffen von AfD, Unternehmern und Identitären in Potsdam auf sehr unheimliche Art und Weise bewahrheitet. Obwohl natürlich dadurch der Faschismus mittlerweile überhaupt nicht mehr unsichtbar ist. Aber da ist genau das eingetreten, was ich in dem Song anspreche: dass auf Geheimtreffen an der Öffentlichkeit vorbei die Gesellschaft umgegraben werden soll.

Ein anderes wichtiges Motiv in den Songs des Albums findet sich direkt im Titel: Klassismus allgemein und die „Rich Kids“ im Besonderen. Das ist ja eigentlich ein Evergreen für Sie, oder?

Über Geld reden wir schon lange, etwa beim Albumtitel „The Taste And The Money“, (2006). Gegen das Diktum „Über Geld spricht man nicht“ haben wir schon immer angeschrien. Das Thema wird beim Älterwerden wichtiger, gerade wenn man Musik oder Kunst macht. Als Zwanzigjähriger lebst du noch ein Leben gegen die Gesellschaft, ohne Absicherung. Doch gerade bei den Leuten, die am lautesten auf die Gesellschaft geschissen haben, wartet dann mit Ende 30 die Eigentumswohnung. Aber man sagt ja immer, dass man so schlecht von Musik leben kann – und das heißt im Umkehrschluss, dass die, die das können, irgendwie abgesichert sind. Deswegen: Spielt nicht mit den reichen Kindern. Singt nicht ihre Lieder.

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