Ausnahmen beschädigen die Regel

Die Rechtschreibreform tritt zum 1. August in Kraft. Zumindest der größte Teil. Einige strittige Fälle nahm die Kultusministerkonferenz aus, sie sollen nachgebessert werden. Reformgegner sprechen von „babylonischem Irrsinn“

VON DAVID DENK

Eines ist sicher: Am 1. August wird die reformierte Rechtschreibung wie geplant verbindlich in Kraft treten. Diesen Termin bestätigte die Kultusministerkonferenz gestern nach ihrer Plenarsitzung in Quedlinburg. Mit dem Beschluss sollte eigentlich der seit 1996 geltende Übergangszeitraum enden, in dem nach der „Toleranzregel“ Lehrer ihren Schülern veraltete Schreibweisen zwar anstreichen, diese aber nicht als Fehler werten dürfen.

Doch was Klarheit schaffen sollte, stiftet weiter Verwirrung. Denn die Kultusminister haben einige von Experten benannte strittige Fälle vorerst von der Neuregelung ausgenommen. Der Rat für deutsche Sprache, von der Kultusministerkonferenz zur Wiederherstellung des „Rechtschreibfriedens“ eingesetzt, kritisiert besonders die Bereiche Getrennt- und Zusammenschreibung, Worttrennung und Zeichensetzung. Dafür gilt in den Schulen bis auf Weiteres die Toleranzregel.

Die Gegner der Rechtschreibreform haben die Entscheidung der Kultusminister als „babylonischen Irrsinn“ bezeichnet. „Was wir uns an den Schulen wünschen, ist jetzt endlich mal ein abschließendes Ergebnis“, sagte der Präsident des Deutschen Lehrerverbandes, Josef Kraus, im Deutschlandradio Kultur. Das Regelwerk sei „halt wieder nichts Fertiges“. Seines Erachtens wäre es vernünftiger gewesen, „den Rat für Rechtschreibung noch ein Jahr konsequent und solide arbeiten zu lassen“.

Die Präsidentin der Kultusministerkonferenz, Johanna Wanka (CDU), weist diese Kritik zurück, hält den Beschluss für unmissverständlich. Die Kultusminister müssten „auch an die Schüler denken, die jetzt schon fast sieben Jahre nach den neuen Regeln ohne Probleme unterrichtet werden“, sagte die brandenburgische Wissenschaftsministerin in Quedlinburg. Und stellte klar, dass die neuen Regeln in den Schulen tatsächlich stärker akzeptiert seien, als mancher Reformkritiker glauben machen möchte.

Derweil tagte der erwähnte Rat für Rechtschreibung, den die Kultusminister selbst damit beauftragt haben, „die Einheitlichkeit der Rechtschreibung im deutschen Sprachraum zu bewahren“, in Mannheim. Dem Gremium gehören 36 Experten aus Wissenschaft und Praxis an, 18 aus Deutschland sowie je 9 aus Österreich und der Schweiz.

Am Nachmittag einigten sie sich auf Änderungsvorschläge zur Getrennt- und Zusammenschreibung. Die Sprachexperten beschlossen, wieder mehr Wörter zusammenzuschreiben und damit der Semantik ein größeres Gewicht zu geben. Die Schreibung soll sich nach Angaben des Ratsvorsitzenden, des früheren bayerischen Kultusministers Hans Zehetmair (CSU), damit wieder stärker am Sprachgebrauch der Menschen orientieren. Er sprach von einem „epochalen Schritt“. Laut Beschluss wird beispielsweise „aufeinanderbeißen“ oder „leidtun“ zusammengeschrieben, „kennenlernen“ kann zusammen, aber auch getrennt geschrieben werden. Die Kultusministerkonferenz muss den Änderungsvorschlägen noch zustimmen.

Sicher ist hingegen, dass Schüler im deutschen Sprachraum wie geplant zukünftig „Stängel“ statt „Stengel“ schreiben müssen und „musste“ statt „mußte“. Zu Grunde gelegt wird dabei entweder der Laut oder aber die Herkunft des Wortes, also zum Beispiel „Stängel“ von „Stange“. Auch die neuen Regeln für Groß- und Kleinschreibung, zum Beispiel „Rad fahren“ statt „radfahren“ analog zum unveränderten „Auto fahren“ werden prinzipiell als Erleichterung bewertet.

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