Pro-Palästina-Demos in Berlin: Überschattetes Gedenken
Eine Protest vor dem Springer-Gebäude endet mit Reibereien. Auch auf der Hanau-Gendekdemo auf der Sonnenallee werden Pro-Palästina-Gruppen erwartet.
BERLIN taz | Während sich die Situation in Gaza für die im südlichen Rafah zusammengedrängten Menschen immer weiter zuspitzt, kommt es in Berlin nahezu täglich zu Vorfällen bei propalästinensischen Protesten. Am Mittwoch hatten sich mehr als 200 Demonstrant:innen vor dem Axel-Springer-Neubau versammelt, in dem eine Konferenz der Zeitungen Welt und Jerusalem Post stattfand.
Nach Angaben der Polizei hatten sich zunächst einzelne Protestierende auf die Straße gelegt. Zwölf Personen seien vorübergehend festgenommen worden. Nach dem Aufruf für einen Flashmob wuchs die Menge an, die sich dann vor einen Eingang des Verlagsgebäudes setzte.
Ein Video in den sozialen Netzwerken zeigt, wie ein:e Redner:in kritisiert, dass die Konferenz die „Ereignisse des 7. Oktobers (Hamas-Angriff auf Israel, Anm. d. Red.) völlig einseitig beleuchten“ würde. Dafür spreche auch die Einladung einer „ehemaligen israelischen Geisel“. Sie animiert die Menge zum Sprechchor: „Deutsche Medien lügen. Lasst euch nicht betrügen.“
Als die Polizei versuchte, den Sitzstreik aufzulösen – auch wegen des Spruches „From the river to the sea“ –, kam es zu Schubsereien und Handgemenge. Hierbei wurden weitere zehn Personen festgenommen. Am Ende stehen neun Strafverfahren unter anderem wegen Widerstands, Gefangenenbefreiung und Verwendens von Kennzeichen verfassungswidriger und terroristischer Organisationen.
Hanau-Demo auf der Sonnenallee
Das Thema Palästina wird wohl nach auch am kommenden Montag eine Rolle spielen – bei einer von der Migrantifa organisierten Demonstration anlässlich des viertes Jahrestags des rassistischen Anschlags in Hanau, bei dem neun Menschen ermordet wurden. Ein Bündnis von Gruppen aus dem linken Spektrum will dabei die Sonnenallee in den Fokus rücken, die zum Symbol „vermeintlich ‚gescheiterter Integration‘ gemacht“ werde.
Dabei sind mehrere Gruppen, die den Fokus auf Nahost legen, darunter Palästina spricht, Young Struggle und Palästina Kampagne. Young Struggle hatte den Hamas-Terrorangriff auf Israel als „Gefängnisausbruch“ und „Widerstand“ bezeichnet. In Eisenach war im November eine geplante antifaschistische Demonstration aufgrund der angekündigten Teilnahme von Young Struggle abgesagt worden. Tenor: „Wir laufen nicht mit Antisemiten.“
Bereits am Montag war es bei Pro-Palästina-Protesten zu Vorfällen gekommen. Bei einer Kundgebung am Brandenburger Tor gegen die „Aggression in Rafah“ gab es eine verbale und versuchte körperliche Auseinandersetzung, an der auch Pressevertreter beteiligt waren. Am selben Abend zog eine unangemeldete Demonstration vom Hermannplatz über die Sonnenallee, die nach Pyrotechnikwürfen von der Polizei gestoppt wurde. Beim Versuch der Auflösung seien dann auch Steine geflogen, heißt es von der Polizei.
Bereits für Freitag ist vor dem Außenministerium die nächste Kundgebung geplant. Die Gruppe Israelis for Peace ruft zum Protest für Waffenstillstand und Geiselfreilassung auf. Am Samstag folgt eine Demo vom Hermannplatz bis zur Axel-Springer-Straße, Motto: „Solidarität mit Palästina.“
Leser*innenkommentare
Karla Columna
Ich überlege gelegentlich, ob ich in jungen Jahren den derzeitigen linken Protesten im Zusammenhang mit dem Nahostkonflikt (wofür/wogegen ist mir oft unklar ) hätte etwas abgewinnen können. Allerdings hat mich diese linke Sympathie für die uneingeschränkte Solidarität mit den Palästinensern im Nahostkonflikt noch nie überzeugt, auch nicht mit zwanzig. Ich kann mich an meine erste Konfrontation mit jungen Deutschen erinnern, die sich in Jerusalem bewusst nur mit Palästinensern anfreundeten, ohne einen einzigen jüdischen Israeli kennen gelernt zu haben, denn das lehnten sie ja ab. Diese stalinistische Selbstgerechtigkeit hat mich immer gestört. Man braucht sich nur das Statement von Young struggle auf Instagram zu den Geschehnissen im Hamburger Bahnhof durchzulesen.
Jonas Amazonas
Die Zeiten ändern sich: Diesmal ist der Anti-Springer-Protest falsch.