So wird die Luft rein

Wenn wir den Schmutz in der Raumluft sehen könnten, würden wir ihn wegwischen. Wie das ginge? Mit Filtern, UV-Licht oder Pflanzen

Messen und vermeiden

Der erste Schritt, ein Problem zu lösen, ist zu wissen, dass man es hat. Dafür sorgen CO2-Messgeräte, idealerweise mit Alarm und weit sichtbarem Display. Mit der Hosentaschenvariante kann man auch unterwegs messen, zum Beispiel bei Veranstaltungen. In Belgien sind CO2-Displays etwa in Cafés Pflicht.

Der zweite Schritt, ein Problem zu lösen, ist seine Ursachen zu bekämpfen. Vor Schmutz durch Verkehr schützen Schü­le­r*in­nen zum Beispiel Pflanzenbarrieren um die Schulhöfe, Abgasvorschriften oder autofreier Schultransport. Auch kleinere Klassen und größere Räume sind Maßnahmen für bessere Luft, genauso wie Gebäudepläne, die Belüftung mitdenken. Masken im Wartezimmer halten unsere Viren von anderen fern. Homeoffice auch. Pflanzen – am besten pollenarme – können helfen, Schadstoffe zu filtern: Aloe Vera, Efeu und Ficus etwa.

Lüften und filtern

Feste Lüftungsanlagen in Gebäuden sind gerade für Schulen, Kitas und Büros die sinnvollste Lösung. Denn generell gilt: Nur durch Luftzug lässt sich das CO2-Level senken. Da, wo sich fest verbaute Anlagen nicht installieren lassen, können portable Filter stehen, die eingesaugte Luft gesäubert wieder auspusten. Sie filtern immerhin Schadstoffe und Viren.

Dabei gibt es unterschiedliche Techniken. Die handelsübliche Variante, die auch in Studien gut abschneidet, setzt auf ein engmaschiges Fasernetz, den sogenannten HEPA-Filter, der auch viele Aerosole einfängt. Dies geschieht oft zusammen mit einem Aktivkohlefilter, der zusätzlich noch organische Verbindungen, Stickoxide und auch Gerüche bindet. In Kombination bekämpfen die Filter unter anderem auch Staub, Milben, Zigarettenrauch und Pollen.

Luftfilter wie die Testsieger der Stiftung Warentest liegen im Preisbereich um die 200 Euro. Für Bast­le­r*in­nen gibt es online Marke-Eigenbau-Anleitungen. Diese selbstkonstruierten Geräte passen sich zwar nicht so flexibel, leise und energieeffizient ans Raumklima an, sind aber dank ihres großen Luftflusses zum Teil schneller als die teuren Geräte. Wer Geräusche vermeiden will, kann sich auch einfach einen zweiten Filter in die andere Hälfte des Büros stellen – zwei mittelstark arbeitende Maschinen funktionieren so gut wie eine im Vollbetrieb.

Bei alldem gibt es positive Nebenwirkungen: Als in Los Angeles 2015 ein Gasleck Schulen in Alarmbereitschaft versetzte, lieferten die Verantwortlichen vorsorglich 1.756 Luftfilter aus. Die Gasbelastung stellte sich später als marginal heraus. Doch verbesserten sich mit den Luftfiltern die Testergebnisse in Mathe und Englisch in einem Ausmaß, das sonst etwa von der Verkleinerung von Klassen bekannt ist. Und in einem Experiment, in dem Forschende Büro-Luftfilter unmerklich ein- und ausschalteten, verbesserte sich mit der Luftqualität auch die Geschwindigkeit der richtigen Testantworten.

Die vielleicht massivste Korrelationsstudie zu positiven gesundheitlichen Langzeitfolgen von Luftfiltern kommt aus Japan. Sie untersucht die Entwicklungsschritte von über 80.000 Kleinkindern. Dabei fanden die Forschenden einen positiven Zusammenhang zwischen Luftfiltergebrauch in der Schwangerschaft und kindlichen Entwicklungsschritten. Die Ergebnisse hielten auch stand, wenn sie andere sozioökonomische Faktoren miteinbezogen, und wurden in anderen Studien bestätigt.

Inwiefern portable Luftfilter akute Krankheitswellen stoppen könnten, wird noch untersucht. Bekannt ist, dass Luftfilter Viren schlucken. Große Geräte konnten selbst Corona-Krankenstationen fast vollständig von Viren befreien – und dazu noch von einer Reihe von Pilzen und Bakterien. Damit könnten sie auch die Aufenthaltsdauer auf den Stationen verkürzen, legt eine andere Studie nahe. Hoffnung, dass sich dadurch auch das Krankheitsgeschehen reduzieren lässt, machen die im vergangenen Jahr auf der WHO-Innenluft-Konferenz vorgestellten ersten Ergebnisse der sogenannten Class-Act-Studie. Dafür wurden 30 Schulen untersucht. In Schulen mit portablen Luftfiltern gingen die Krankheitsfälle um 20 Prozent zurück.

Mit UV-Licht bestrahlen

Kurzwelliges ultraviolettes Licht – UV-C-Licht – wird in OP-Sälen seit Langem zur Desinfektion eingesetzt und schaltet dabei praktischerweise auch Krankheitserreger aus, die gegen Reinigungsmittel Resistenzen entwickelt haben. Es ist allerdings auch schädlich für Haut und Augen, kann also nur benutzt werden, wenn niemand anwesend ist oder die Anwesenden Schutzkleidung tragen.

Dass man Menschen diese Art von Vorsicht im Alltag nicht zutrauen kann, hat vor Kurzem eine Digital-Investitionskonferenz bewiesen, die ihre Teilnehmenden im Hongkonger Konferenzcenter aus Versehen den ganzen Abend mit UV-C-Lampen bestrahlte. „Die meisten Geschädigten haben ihre Augenfunktion inzwischen wieder“, meldete sie wenig später.

Eine Möglichkeit, das Problem zu umgehen, ist, die UV-C-Strahlen so einzusetzen, dass sie nur im oberen Raumbereich parallel zur Decke strahlen und die Luft per Zirkulation immer wieder durch diesen Bereich zu leiten. Eine noch elegantere Lösung ist eine neue Art des UV-C-Lichts: Fern-UV-C tötet ebenso Viren, ist allerdings so kurzwellig, dass es dabei vermutlich weder durch unsere äußeren Hautschichten dringt, noch durch die Tränenflüssigkeit der Augen.

Mehrere Studien laufen, um die Unschädlichkeit des Fern-UV-C-Lichts für Menschen zu beweisen. Eine findet nur bei direkter Bestrahlung in der höchsten Dosis eine leichte Rötung. In zwei weiteren wurden über ein Jahr haarlose Ratten oder Behandelnde einer Augenarztpraxis mit Fern-UV-C-Licht beschienen und dabei keine Haut- beziehungsweise Augenveränderungen bemerkt – dafür erwiesen sich die Oberflächen der Praxis als angenehm keimfrei.

Zuletzt wurden unter wissenschaftlicher Begleitung und mit allgemeinem Einverständnis mehrere Fern-UV-C-Lichter in kanadischen Senio­ren­heimen angebracht. „Wenn wir die Technik schon fünf Jahre vor der Coronakrise gehabt hätten […]“, sagt David Brenner, Forschungsdirektor für Radiologie an der Columbia University, „hätte sich diese ganz anders entwickeln können.

Die Praxis überholt inzwischen sogar die Forschung: Unternehmen investieren Millionen in die Massenproduktion. Start-ups versuchen sich an einer handlichen Taschenlampenvariante zur gezielten Reinigung. Auch online häufen sich Bilder von UV-C-Lampen in kleinen Geschäften oder neben Krankenhausbetten von immunkompromittierten Verwandten. Die US-amerikanische Armee hat bereits erste Gebäude damit ausgestattet, und als die US-Regierung sieben Zukunftstechnologien Förderung versprach, war keimfeindliches Licht unter ihnen. Auch in einem 65-Millionen-Euro-Programm der EU ist es eine von drei Technologien.

In Zukunft könnte es also an öffentlichen Orten über unseren Köpfen leuchten, damit wir besser durchatmen können. Eine Lüftung komplett ersetzen kann UV-C-Licht aber nicht – statt Sauerstoff zuzusetzen erzeugt es Ozon und neue organische Materie. Die wiederum lässt sich mit Zugluft und Aktivkohlefiltern bekämpfen.

Die Luft zu reinigen ist und bleibt also ein mehrstufiger Prozess. Aber einige dieser Stufen sind erstaunlich niedrigschwellig und damit eigentlich für viele erklimmbar.