Basketballstar Satou Sabally: „Ich habe ein Sprachrohr“

Satou Sabally ist eine der besten Basketballerinnen der Welt. Ihr geht es nicht nur um Wurfquoten, sie kämpft auch für Frauen- und Minderheitenrechte.

Satou miot dem Basketball an der Freiwurflinie

Freiwurf für eine bessere Gesellschaft: Satou Sabally im deutschen Auswahltrikot Foto: Claus Bergmann/imago

taz: Frau Sabally, Sie fliegen bald nach Belem in Brasilien, wo am Donnerstag das erste Olympia-Qualifikationsspiel stattfindet. Fühlen Sie sich vorbereitet?

Satou Sabally: Ja, ich fühle mich vorbereitet, aber ich fühle mich immer ready und dann fragt man sich wieder: Hat man genug gemacht? Als Sportler findet man nie, dass man genug trainiert hat, aber ich kann mich auf jeden Fall auf meine letzten Wochen verlassen, die Vorbereitung war schon sehr gut.

Es ist nicht lange her, vielleicht 15 Jahre, da wurden Sie auf einem Spielplatz in Berlin entdeckt. Wie kann man sich das vorstellen?

Ich war acht oder neun Jahre alt. Da wurden meine Schwester Nyara und ich auf dem Spielplatz von meiner ersten Trainerin vom DBC Berlin angesprochen. Das war auf dem Winterfeldtplatz, direkt neben unserer Spreewald-Grundschule, und ich glaube, das war wirklich nur aufgrund unserer Größe, die war einfach auffallend damals in dem Alter. Wir wurden also zu einem Kids-Basketball-Day vom Basketball-Bund eingeladen. Ich konnte wirklich gar kein Basketball spielen. Aber es hat so viel Spaß gemacht, dass ich direkt in ein Team wollte.

Die Basketballspielerin, heute 24 Jahre alt, wurde als drittes von sieben Kindern eines gambischen Vaters und einer deutschen Mutter in New York City geboren. In Deutschland reifte sie zur Profispielerin, die zuletzt für die Dallas Wings in der WNBA und die Shandong Six Stars in China auf Korbjagd ging.

Sie haben zunächst in Berlin gespielt. Wie war das als Mädchen im deutschen Basketball?

Damals war Basketball im Mädelsbereich gar nicht groß. Dadurch, dass ich in Berlin war, hatte ich zumindest den Luxus, dass es auch andere Teams gab, gegen die man spielen konnte. Ich habe auch mit Jungs gespielt und hatte dadurch den Vorteil, viel auf Turniere mitgehen zu können. Ich habe dann bald in der Nachwuchsbundesliga der Frauen gespielt, und dann in der zweiten Bundesliga. Es war aber nie so wie bei den Jungs. Die wurden immer mehr gefördert, hatten mehr Teams und mehr Ressourcen. Als ich letztens wieder in Berlin war, habe ich aber gesehen, dass der Berliner Verband jetzt einen größeren Pool von Mädels hat. Das hat mich sehr glücklich gemacht.

Kann der deutsche Basketball von den USA lernen?

Ich würde die Liga in Deutschland jetzt nicht unbedingt mit der WNBA vergleichen wollen, eher mit anderen europäischen Teams, die mehr Förderungen haben. Ich habe bei Fenerbahçe in Istanbul gespielt, und da konnte ich mir meinen Lebensunterhalt verdienen, den ich in Berlin, in Deutschland nie verdienen könnte. Als Topspielerin bin ich dann schon sehr jung aus Berlin weg. Ich wollte aufs College gehen und studieren. Aber dadurch fehlen dann die Talente in Deutschland, was sich im Niveau der Liga widerspiegelt. Dazu kommt noch die Ausländerregelung, sodass in Deutschland keine deutsche Spielerin auf dem Spielfeld stehen muss. Das geht gar nicht und führt zu weniger Förderung.

Und dadurch auch zu geringeren Einnahmen?

Einen höheren Lebensstandard kann man sich als Spielerin in Europa nur leisten, wenn man eine der Topspielerinnen ist. Andere müssen zusätzlich arbeiten. Bei Alba Berlin wirst du hingegen keinen einzigen Mann antreffen, der noch einen Nebenjob hat, und bei Frauen ist es immer noch so, dass man doppelte Arbeit leisten muss, obwohl man genau das Gleiche tut. Auch in der WNBA ist der Gehaltsunterschied zwischen Männern und Frauen groß. Ich spiele dort, weil ich mich mit den Besten messen möchte. Ich bin jetzt auch aus meinem Rookie-Vertrag raus, und mit dem neuen Arbeitsvertrag, den wir mit der Liga haben, werde ich jetzt auch mehr Gehalt verdienen. Aber ich verdiene immer noch das Dreifache in Europa und das Vierfache in China.

Nur um mal Zahlen zu nennen: Ein NBA-Spieler verdiente in der Saison 2021/22 im Schnitt 5,35 Millionen US-Dollar, eine WNBA-Spielerin rund 121.000. Wird darüber diskutiert?

Wir haben viel Freiheit, uns politisch zu äußern. Wir sprechen uns aus, aber etwas zu verändern, ist auch Aufgabe der Gesellschaft. Es ist schließlich fast in jedem Bereich so, dass Frauen mehr leisten müssen und weniger bezahlt werden. Bei uns sieht man es extrem an den Gehältern, wir kriegen nicht mal 100.000 Dollar in unseren Rookie-Jahren. Nur weil ich mit einem bestimmten Geschlecht geboren bin, kann ich mein Leben nicht finanzieren, obwohl ich genau das Gleiche leiste. Aber ich weiß jetzt, dass Sponsoren den Frauensport als Investition ansehen müssen. Denn er ist am Wachsen. Die Zuschauerzahlen steigen, die Quoten sind um über 200 Prozent gestiegen im Vergleich zum Vorjahr. In Frauensport zu investieren, lohnt sich.

Sie haben kürzlich gesagt, Sie möchten auch als Aktivistin gesehen werden. Warum?

Das ist einfach meine Persönlichkeit. Ich bin eine globale Person: in Gambia aufgewachsen, in Deutschland aufgewachsen, ich habe jetzt schon überall auf der Welt gespielt, und ich lerne andere Kulturen kennen, und ich sehe sehr viel Ungerechtigkeit – politisch, gesellschaftlich, auf jedem Level. Als schwarze Frau ist man von Intersektionalität täglich betroffen. Ich habe jetzt ein Sprachrohr. Kaum jemand fragt eine weibliche Putzkraft, wie sie behandelt wird, und trotzdem interessiere ich mich auch für ihre RechteIch kann meine Reichweite neben dem Sport für Themen nutzen, die mich bewegen.

Wirkt sich das Leben in Texas diesbezüglich auch auf Sie und Ihren Aktivismus aus?

Ja, absolut. Die Frauenrechte in Texas, zum Beispiel, darüber rede ich mit vielen meiner Freundinnen. Zum Beispiel mit Freundinnen, die eine Abtreibung in Texas nicht machen konnten. Das ist hier eine schockierende Realität. Frauen haben Angst, zum Frauenarzt zu gehen. Angst davor, was passieren könnte, falls die rausfinden, dass man schwanger ist und dann nach drei Monaten nicht mehr. Das ist einfach sehr traurig. Es sollte so sein, dass Menschen für die Rechte aller einstehen.

Auf Social Media haben Sie mit knapp 200.000 Followern eine große Reichweite. Engagieren Sie sich auch darüber hinaus?

Ich arbeite bei Café Momentum in Dallas mit. Das ist ein Café, in das Jugendliche kommen, die im Jugendgefängnis waren. Sie sind meistens Opfer ihrer Gesellschaft. Das sind 13-, 14-Jährige, die niemals einen Highschool-Abschluss machen können aufgrund ihrer Vorgeschichte. Ich meine, das sind Kinder. Und in diesem Café versuchen wir diese Kinder zurück in unsere Gesellschaft zu integrieren. Wir bieten die Möglichkeit, zur Schule zu gehen, psychologische Hilfe. Ich helfe ihnen mit einem Mentoren-Programm und verbinde sie mit Leuten im Berufsleben. Das ist eine Leidenschaft von mir geworden, dass ich mit Kindern und Jugendlichen arbeite und ihnen eine andere Perspektive für ihr Leben geben möchte. Für Unicef habe ich auch für ein Bildungsprogramm gearbeitet. Ansonsten bin ich eher im Mentorenbereich jetzt aktiv. In unserer eigenen Liga bin ich führendes Mitglied des Social Justive Council der WNBA.

Und nebenbei trainieren Sie noch.

Ja, genau.

In Berlin haben Sie auf dem Tempelhofer Feld einen Basketballplatz eröffnet.

Das konnte ich mit meinen Sponsoren realisieren. Es war echt ein super Projekt. Ich wollte einen Safe Space für Mädels kreieren. Ich selbst konnte damals nicht immer einfach zocken gehen, da waren meistens die Jungs auf dem Feld, und man kam selber kaum zum Spielen. Das soll jetzt ein Ort sein, der Mädels inspiriert. Ich kriege immer so tolles Feedback, wenn Leute da hingehen und sich freuen. Basketball gibt mir so viel Freude. Basketball hat mir so viele Türen geöffnet. Das möchte ich zurückgeben.

Fehlt Ihnen Berlin bisweilen?

Auf jeden Fall. Dallas ist schon ganz schön anders. Aber Berlin vermisst man doch immer, wenn man da herkommt. Das Profilleben ist zum Teil auch sehr isolierend. Vor allem jetzt in China habe ich sehr große Isolation gespürt. In Dallas habe ich schon sehr viele Freunde, die wie Familie sind. Aber klar, meine ganze Familie ist in Berlin, und ich vermisse meine kleinen Geschwister, meine Eltern. Ich weiß aber auch, dass es erst mal nur temporär ist.

Gibt es Momente, wo Sie sich lieber ein normales Leben wünschen?

Ja, ich wünsche mir manchmal schon, ich wäre einfach mal für zwei Wochen zu Hause in meinem Bett und könnte mich einfach mal entspannen. Es könnte ab und zu auch mal entspannter sein. Aber dann fühle ich mich schon sehr privilegiert, wenn ich so etwas sage. Ich bin sehr dankbar für mein Leben. Mein Hobby ist mein Job, ich kann mich nicht wirklich beschweren. Ich lebe meinen Traum, aber es könnte auch manchmal ein bisschen gechillter sein.

Welche Ziele haben Sie sich dieses Jahr gesetzt?

Mein größtes Ziel ist auf jeden Fall Olympia. Und ein WNBA-Titel wäre auch nicht schlecht.

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