Eine Wahl mit Tücken

Die Teilwiederholung der Bundestagswahl am kommenden Sonntag sorgt laut Politikwissenschaftler Thorsten Faas für etliche neue Probleme

An diesem Sonntag wird die Bundestagswahl in Teilen Berlins wiederholt – und dies unter „sehr ungewöhnlichen“ Bedingungen, wie der Politikwissenschaftler Thorsten Faas konstatiert. Faas, der an der Freien Universität lehrt, sagte der Deutschen Presse-Agentur: „Wir hatten natürlich die Wiederholungswahl im vergangenen Jahr in Berlin, als es um das Abgeordnetenhaus ging. Und es gab auch schon mal vereinzelt in Wahlkreisen Nachwahlen, aber eine so ‚große‘ Teil-Wiederholungswahl gab es in dieser Form noch nicht.“

Tatsächlich ist nicht nur die bloße Dimension ungewöhnlich, sondern auch die Frage, wer überhaupt wählen darf. So dürfen Menschen mit abstimmen, die gerade erst 18 geworden sind, auch wenn sie 2021 noch gar nicht wahlberechtigt waren. Dagegen dürfen diejenigen nicht mitwählen, die aus Berlin weggezogen sind – auch wenn die Stimme, die sie 2021 abgegeben haben, durch das Urteil des Bundesverfassungsgerichts für ungültig erklärt wurde.

Andererseits können andere zum zweiten Mal wählen, die zum Beispiel aus Köln nach Berlin gezogen sind – wenn sie jetzt in einem Wahlbezirk wohnen, in dem die Wahl wiederholt wird. „Was man an diesen Konstellationen merkt: Es ist eine Wiederholungswahl unter sehr besonderen Umständen“, sagte Faas. Es sei eben eine Illusion zu glauben, man könne einfach nur die Wahl wiederholen und alles andere bliebe unverändert. Faas zufolge sind die Konsequenzen auf der Ebene einzelner Wähler „sehr unschön“.

Selbstverständlich müssten Fehler korrigiert werden, aber damit gingen nun wieder neue Probleme einher. „Für mich heißt das letztlich: Wahlen müssen funktionieren – und darauf müssen sich auch alle verlassen können“, so der Wissenschaftler, der an der FU die Arbeitsstelle Politische Soziologie der Bundesrepublik leitet.

Die bundesweite Bedeutung der Teil-Wiederholungswahl sei dabei überschaubar. Hinzu käme der Punkt, dass das Ergebnis eigentlich nur aussagekräftig sei im Vergleich zur Wahl 2021 in den betreffenden Stimmbezirken. Das kenne aber faktisch kaum jemand. Dass die Berliner CDU unter anderem mit dem Slogan „Zeig der Ampel das Stopp-Zeichen“ plakatiert, sei einerseits nachvollziehbar. Aber, so Faas: „Auch daran merkt man, dass letztlich eine ‚Wiederholung‘ nicht möglich ist. Denn zum Zeitpunkt der Wahl 2021 gab es ja noch gar keine Ampel.“

Mit Blick auf die Wahlbeteiligung ist Faas eher skeptisch. Berlins Landeswahlleiter Stephan Bröchler hofft auf einen Wert um die 60 Prozent wie bei der Wiederholung der Abgeordnetenhauswahl im Februar 2023. „Wünschen würde ich mir das auch, aber ich fürchte, dass wir in diese Dimension nicht ganz kommen werden“, sagte Thorsten Faas. Es stehe zu wenig auf dem Spiel, auch der Wahlkampf und die mediale Begleitung „verlaufen doch sehr pflichtschuldig“. (dpa)