Jetzt wird in die Hände gespuckt

Freiwillige „Arbeitsbrigaden“ sanieren das Wohn- und Geschäftshaus der „Sozialistischen Selbsthilfe Köln“ (SSK) am Salierring. Sie müssen das Gründerzeitgebäude „verkehrssicher“ machen

VON SILKE FREUDE

Mörtel anrühren, mit dem Tapezierpinsel die Wand nässen, mit der Fugenkelle den Mörtel in die Fuge drücken, alles glatt streichen und zum Schluss mit dem feuchten Schwamm drübergehen: Diese Arbeitsschritte führt Monika heute viele hundert Male durch. Denn die Hauswand zum Hinterhof besteht aus roten Backsteinen – also einiges zu tun für die Freiwilligen der „Arbeitsbrigade Salierring“.

Verfugen ist eine richtige Sisyphusarbeit, doch Monika steht an diesem windigen Samstagnachmittag nicht allein da: Hinter ihr rührt ein junger Mann den Mörtel an, oben auf dem Gerüst bohrt jemand Löcher für die neuen Balkongitter-Halterungen. Insgesamt wuseln mindestens zwanzig Freiwillige im Haus, auf den Gerüsten, den Balkonen und im Garten herum. „Wenn das Wetter hält, bekommen wir heute die Fugen im zweiten und dritten Stock fertig“, glaubt SSKler Michael. Je schneller desto besser, denn die Gerüste kosten jede Woche 180 Euro Miete.

Im November letzten Jahres hatte die SSK endlich ihre Auseinandersetzungen mit dem damaligen Hauseigentümer beigelegt: Sie kaufte das Haus am Salierring 41 und bekam für das Haus 37 einen langfristigen Mietvertrag mit Vorkaufsrecht zum Ende der Laufzeit im Jahr 2024. „Die Vereinbarung ist, dass wir alle notwendigen Sanierungsarbeiten selbst durchführen“, erklärt Thomas. „Dafür ist die Miete viel, viel billiger.“ Allerdings muss das Gründerzeithaus jetzt richtig gründlich saniert werden. Die Vorgabe der Stadt lautet, das Haus „verkehrssicher“ zu machen. Dafür lässt sie eine Beihilfe von 300.000 Euro springen. „Nicht gerade eine Riesensumme für die Arbeiten, die hier zu tun sind“, stellt Thomas fest.

Auf dem Dach wurden schon neue Pappen und Stahlschienen verlegt, der Keller musste abgedichtet werden. Als „Indoor-Baustellen“ warten noch die Wasserrohre und die Elektrik. Draußen werden die gesamten Dachrinnen und Abwasserrohre abgerissen und erneuert. An den Balkonen müssen die angerosteten Stahlträger geflext werden. Für die gusseisernen, verschnörkelten Geländer ist eine Sonderbehandlung nötig. „Vielleicht sandstrahlen“, überlegt Thomas. „Das hängt vom Preis ab.“

Die SSKler sind auch unter der Woche auf viele freiwillige Helfer angewiesen. Denn die Sanierung dauert mindestens noch anderthalb Jahre. „Nebenbei“ gehen die SSKler ihrem normalen Tagwerk nach: Sie entrümpeln Wohnungen, führen Umzüge durch, reparieren und verkaufen Elektrogeräte, verkaufen Möbel, Kleider und Hausrat aus zweiter Hand. „Wir verwerten den Müll anderer und verdienen damit unseren Lebensunterhalt“, erklärt Monika. „Aber auch mit Secondhand-Klamotten kann man sich richtig schick anziehen.“ Die junge Polin ist seit viereinhalb Jahren Mitglied der Selbsthilfe, wohnt im Haus Nr. 41. Am Anfang konnte sie kaum ein Wort Deutsch. Doch die Verständigung klappte – auf Englisch oder mit Händen und Füßen. „Das war für mich verblüffend: Ich komme in ein durch und durch kapitalistisches Land und werde so freundlich aufgenommen.“ Die SSK ist für sie Beweis, dass Sozialismus im Kleinen möglich ist. „Hier funktioniert nichts über Zwang, alles in Kooperation. Die Stärkeren ziehen die Schwächeren mit.“

Zum verspäteten Mittagessen um 15 Uhr finden sich die „Helden der Arbeit“ am großen Tisch im Trödelladen ein. Es gibt Fisch, Reis, Bohnen- und Blattsalat. „Der Fisch ist von Gerling“, erklärt Thomas. Über die „Kölner Tafel“ kommen die SSKler in den Genuss des Kantinenessens der Versicherung. Die Stimmung ist gelöst, das gemeinsame Arbeiten macht den Helfern sichtlich Spaß. „Wir machen heute noch bis 17 Uhr“, vermutet Michael. Denn auch in einer Arbeitsbrigade will man sich schließlich nicht tot schuften.