IG Metall zeigt Flagge

An der Unterelbe wird die Kapitalismus-Debatte konkret: Die Belegschaft der „Quips“-Dependance in Elmshorn hat ihren Betrieb besetzt – mit tatkräftiger Unterstützung der Gewerkschaft

von der UnterelbeKai von Appen

Die Laster rollten mehrfach an, doch dann mussten sie immer wieder abdrehen: Sei es, dass eine nächtliche Kundgebung von Beschäftigten ihnen den Weg versperrte, sei es, dass eine Stahl-Kette die Zufahrt durch das Werkstor verhinderte oder „versehentlich“ quer gestellte Fahrzeuge.

Am Wochenende folgte nun eine als Betriebsversammlung getarnte „Betriebsbesetzung“: In Elmshorn, bei der Dependance des Mobilfunkunternehmens „Quips“, hat die Kapitalismus-Debatte konkrete Formen angenommen. Nicht zuletzt, weil die IG Metall Küste Position bezieht. „Wir müssen dem Durchmarsch des Kapitalismus entgegentreten“, verkündete IG Metall Küste-Chefin Jutta Blankau auf einer Funktionärskonferenz in Hamburg Bergedorf.

In der Quips-Auseinandersetzung geht es eigentlich um einen ganz normalen kapitalistischen betrieblichen Konflikt, wie er zurzeit tagtäglich an der Unterelbe stattfindet. Früher war das ländliche Gebiet beim Kapital begehrt, um billig im Speckgürtel Hamburgs Dependancen aufzubauen. So zog auch der Telefonkonzern Talk Line nahe der Haseldorfer Marsch vor zehn Jahren sein Center hoch.

Im Zuge der Globalisierung und der wirtschaftlichen Turbulenzen sieht es nun anders aus: Talk Line verkaufte seine Sparte „Quips“ an den Bamberger BILOG-Konzern, der für T-Mobil Kunden schnelle Reparaturen von Handys anpreist. Jetzt will auch er diesen Standort schließen und den Reparaturbetrieb nach Bamberg verlagern. 50 MitarbeiterInnen sind betroffen.

Und da setzt nun die Gegen-Strategie der IG Metall ein. „Wer Arbeitslosigkeit produziert, soll auch dafür zahlen“, sagt Uwe Zabel, Chef der IG Metall Unterelbe, und befindet sich damit durchaus im Einklang mit der Position der IG Metall Küste. Chefin Blankau hatte unlängst zur „betriebspolitischen Offensive“ geblasen, um die „Handlungsfähigkeit der IG Metall“ zurückzugewinnen. Blankaus Devise: „Wer Erfolge will, muss auch angreifen.“ Die Strategie ist im Norden nicht ganz neu, sie war bereits unter Ex-Bezirksleiter Frank Teichmüller entwickelt worden. In letzter Zeit war sie aber in Vergessenheit geraten.

Wenn ein Unternehmen wie der BILOG-Konzern beschließt, einen Betriebsteil stillzulegen, muss er zwar mit dem Betriebsrat Verhandlungen führen. Dieser hat aber außer plausiblen Gegenargumenten keine Druckmittel in der Hand. Anders sieht es aus, wenn die Gewerkschaften einsteigen. Die nämlich können auch betrieblich strittige Fragen, sofern sie nicht bereits in Flächen-Tarifverträgen geregelt sind, auf die Tagesordnung setzen. Nicht nur bei der eventuellen Höhe der Abfindungen haben die Gewerkschaften ein Wörtchen mitzureden. Sie können auch versuchen, die Gegenseite durch Streikmaßnahmen zur Gründung einer Transfergesellschaft zu zwingen. Dort würden die Beschäftigten auf einen neuen Arbeitsplatz vorbereitet, zumindest für ein Jahr wäre ihr Gehalt nahezu gesichert. „Wir fordern eine sozialverträgliche Gestaltung der Betriebsstilllegung“, sagte IG-Metall-Chef Zabel gestern Mittag vor dem Betriebstor in Elmshorn.

Erst vor wenigen Wochen hatte die IG Metall Unterelbe beim „Hospital Service“ im 20 Kilometer entfernten Glückstadt Flagge gezeigt. Dort erzwang sie für die Beschäftigten der Industrie-Wäscherei einen Tarifvertrag „Transfer Plus“. Die Entlassung von 160 Frauen und Männern konnte sie zwar nicht grundsätzlich verhindern, aber die Betroffenen landen erst einmal in einer vom Unternehmen mitfinanzierten Transfergesellschaft. Für 105 Mitarbeiterinnen gibt es bis Ende 2007 eine Standortgarantie.

„Die Alternative wäre gewesen, für alle die sofortige Arbeitslosigkeit und dann Hartz IV“, sagt IG-Metall-Mann Zabel. Nun hofft er, auch in Elmshorn etwas zu erreichen.