wortwechsel
: Ja, diese „Rechtsextremen“ wollen den Faschismus …

Ist jetzt der Damm der Verdrängung von nationalistischen Deportationsplänen gebrochen? „Die Mitte“ demonstriert Solidarität und Bündnisfähigkeit in Deutschland. Und die Parteien?

Ein anderer Blick auf die Fahnen, der Fernsehturm hat alles gesehen: Demonstration gegen Rechtsextremismus vor dem Roten Rathaus am 17. Januar 2024 in Berlin Foto: Jens Gyarmaty

„Endlich raus aus der Defensive“,

taz vom 22. 1. 24

„Bei Begeisterung über uns, nicht vergessen …“

900.000 Menschen auf den Demos am letzten Wochenende. Das sind kaum 1,5 Prozent der Wahlberechtigten. Aber: Bis zu 23 Prozent der Wäh­le­r:in­nen können sich jetzt schon vorstellen, die AfD zu wählen, bundesweit. Bei der ganzen Begeisterung über uns selbst, sollten wir nicht vergessen, dass an der Wahlurne entschieden wird, ob die AfD in die Parlamente kommt – und nicht auf den Marktplätzen. Wenn das Resultat dieser Demonstrationen gegen rechts nur Selbstvergewisserung ist, dann wird es in diesem Wahljahr noch böse Überraschungen geben. In den 1930er Jahren war der Widerstand gegen die Nazis schon auf den Straßen, mit Straßenschlachten, da sind wir heute (noch) nicht, und trotzdem ist die NSDAP damals gewählt worden. Diese Demokratie ist abwählbar. Dagegen hilft nur bessere sozial gerechte Politik. Freiheit braucht soziale Gerechtigkeit, sonst funktioniert Demokratie nicht. Wenn die Rechten den Staatsapparat in die Finger bekommen, hier wie in den USA, wird die Verfassung zur Hülle. Dann wird Resignation die Folge sein oder Bürgerkrieg. Beides wäre eine Katastrophe und das Ende der jetzigen Form der Demokratie. Klaus-Peter Klauner, Brühl

Liebe taz, am Sonntag war ich auf der Antifa-Demo in München. Da waren sehr viele Leute, die noch nie oder schon sehr lang nicht mehr auf einer Demo gewesen sind. Und von denen sind etliche verärgert worden, so dass sie sagen: „Ich gehe nie wieder auf eine Demo.“ Und zwar verärgert durch Kapitalismuskritik im ersten Redebeitrag, durch Skandieren von „Hoch die internationale Solidarität“; durch Skandieren von „Ganz München hasst die AfD“. Hass ist niemals gut. Da hat man diese Leute schon mal auf einer Antifa-Demo und dann ist man derart ungeschickt, das man diese gleich wieder verprellt. Schade. Sehr, sehr schade.

Adam Romoth, München

„Da geht noch mehr“,

wochentaz vom 20. 1. 24

Tja, jetzt geh’ich mit 65 wieder demonstrieren, in Frankfurt waren es 35.000, die gegen die AfD mobilisiert werden konnten. Ich frag’mich, was ist mit dem Rest? Sind die noch im Winterschlaf?

Elke Wetzel, Frankfurt am Main

„Nicht nur angreifen. Wie lässt sich die AfD stoppen?“, taz vom 18. 1. 24

„Der Urnengang (in Polen) wurde zur Schicksalswahl über die Selbstbestimmung der Frau gemacht.“ So wird es auch in Deutschland sein. Die Selbstbestimmung der Frau gibt es laut AfD-Programm nicht. Leitwort des AfD-Programms ist das Wort „normal“. Die Normen: Die Verhaltensrollen von Mann und Frau – von der Natur bestimmt. „Familienbeauftragte“ und „soziales Marketing“ sollen die 3-Kinder-Familie durchsetzen. Abtreibung wird als Kindestötung bezeichnet. Kinder unter drei Jahren sollen zu Hause betreut werden. Die Familie soll dafür von einem Gehalt leben (können), auch um Ehescheidungen zu vermeiden. Bei Scheidungsfolgen soll „Fehlverhalten“ Unterhaltsansprüche vermindern. Eine Familie bestehe aus Vater, Mutter und Kindern. Ziel: die deutsche Bevölkerung vermehren. Jeglicher Familiennachzug für Flüchtlinge wird abgelehnt. Frauenbeauftragte sollen abgeschafft werden. Schule und Medien sollen diese Normen lehren. Es gibt viele Gründe, gegen die AfD zu protestieren! Sabine Nier, Oldenburg

„Auftrag an die Politik!“

Die Demonstrationen sind beeindruckend, sie machen Mut. Aber sie wollen auch Antworten und Perspektiven von der Politik. Wenn nun wohlfeil darauf verwiesen wird, dass wir uns überall deutlich positionieren sollen, auf der Arbeit und im Privaten, dann sollte es „der Politik“ auch klar sein, dass die Demonstrationen der Politik einen Auftrag gegeben haben. Ich möchte auf einer Demonstration nicht von Politikern gelobt werden, die selbst das Erstarken der Rechten begünstigen durch Förderung der sozialen Ungerechtigkeit. Jürgen Knies, Oldenburg

Ich halte es für sinnvoller, auf die Wähler der AfD zuzugehen! Im eigenen Bekanntenkreis offen die Probleme zu besprechen und gemeinsam nach Lösungen zu suchen und das nicht den Politikern zu überlassen! Lassen wir uns unser Ansehen in der Welt nicht von der AfD verschmutzen, diese Partei ist eine Schande für unser Land! Wir Menschen sind durch Kooperation an die Spitze der Evolution gelangt, nicht durch Ausgrenzung. Eine fruchtbare Zuwanderung war und ist überlebensnotwendig.

Camillo Schultz, München

In Hamburg waren circa 100.000 Menschen auf der Straße. Aber nicht, weil sie zum ersten Mal von den rassistischen Umtrieben hörten, sondern weil klar wird, dass die Rechtsextremen/Nazis geheime Netzwerke gegen Demokratie und Gewaltenteilung aufbauen und Widerstand notwendig ist. Am meisten hat mir eine Frau imponiert, bestimmt Mitte 80. Sie kam zur Demo mit ihrem Rollator und sie hatte für ihren Hut, bestimmt mühevoll, eine Banderole gebastelt: „ekelhAfD“. Danke, unbekannterweise, dass Sie diese schwierige Demo durchgehalten haben! Jeannette Kassin, Hamburg

„Nie wieder ist jetzt!“

„Bunt statt rechts“, „Demokratie retten“, „Nie wieder ist jetzt“. Diese Slogans müssen nun auch in den Alltag übertragen werden: Aufstehen gegen rassistische, gegen rechte Äußerungen. Ich nahm an der Demo in Hannover teil. Es herrschte eine friedliche, fast euphorische Stimmung. Alle RednerInnen trafen den Nagel auf den Kopf. Achim Bothmann, Hannover

Früher sangen wir „Hejo, spann den Wagen an – wehrt euch, leistet Widerstand gegen Atomkraft im ganzen Land. Schließt euch fest zusammen!“ Aktuell: „Hejo, leistet Widerstand gegen Rassismus hier im Land. Schließt euch fest zusammen! Schließt euch fest zusammen!“

Reiner Schulze, Berlin