wortwechsel
: „Verirr dich nicht im Gut-oder-böse-Dschungel“

taz-LeserInnen beobachten besorgt demokratiefeindliche Aktivitäten der AfD und der ihr nahestehenden Gruppen. Die Verunsicherung in unserer Gesellschaft nimmt zu

Gummistiefel und Grabkerzen am Rande des Bauernprotestes in Berlin, Straße des 17. Juni Foto: Achille Abboud/imago

Kein Grund für Protest?

„Süßes Gift Subvention“,

wochentaz vom 13. – 19. 1. 24

Im Artikel entsteht der Eindruck, dass die Land­wir­t*in­nen eigentlich keinen Grund zum Protestieren haben, sie selbst schuld sind am Höfesterben und die Politik nichts daran ändern kann. Gerade kleinen Betrieben bleibt oft nichts anderes übrig, als außerlandwirtschaftliche Einnahmen zu generieren, damit sie über die Runden kommen. Viele Betriebe sind zudem hoch verschuldet, für die Tilgung gehen oft große Teile des Gewinns drauf. Das bewirtschaftete Land ist im Durchschnitt nur zu 40 Prozent im Eigentum der Landwirt*innen, der Rest ist Pachtland, und die Pachtpreise werden auch durch außerlandwirtschaftliche Großinvestoren immer weiter in die Höhe getrieben.

Jahrzehntelang wurde die Landwirtschaft von Politik und Wirtschaft in ­Richtung Wachstum und Spezialisierung ­gedrängt. Der wirtschaftliche Druck auf die Land­wir­t*in­nen ist enorm, was viele in einen Konkurrenzkampf treibt. Burn-out, Depression und Angststörungen sind mittlerweile die zweithäufigste Berufskrankheit unter Landwirt*innen. Ebenfalls jahrzehntelang wurde eine Reform der Agrarpolitik von den regierenden Parteien blockiert, eine Änderung der Agrarsubventionen weg von der Flächenförderung hin zur Förderung von Umweltleistungen ist längst überfällig.

Leonie Amann, Horst

Marktversagen

„Süßes Gift Subvention“,

wochentaz vom 13. – 19. 1. 24

Subventionen für die Landwirtschaft in der EU und Deutschland sind seit Jahrzehnten zur Selbstverständlichkeit geworden, um das Einkommen der Bauern mit bis zu 40 Prozent aus Haushaltsmitteln der EU und dem Bundeshaushalt abzusichern. Das zeigt das jahrelange totale Marktversagen. Dass circa 30 Prozent der hergestellten Lebensmittel in Deutschland als Überschuss für Europa und damit als Export in alle Welt versorgt wird, das ist kein automatischer „Preiskiller“. Gut & Günstig, dieser Werbeslogan zeigt: Es muss alles billiger werden. Nur die Autos werden immer teurer. Das ist der große Unterschied zwischen Automobil­industrie und Landwirtschaft – ein heftiger politischer Dauerbrenner.

Thomas Bartsch-Hauschild, Hamburg

Vorsicht, Projektion

„Der Begriff böse erklärt nichts“,

wochentaz vom 13. – 19. 1. 24

Ein aufschlussreiches „Gespräch“, das beispielstark durch Politik und Tiefen­psychologie pflügt und mancherlei griffige Verknüpfung bereithält. Dabei lauern keine geringen Fallen wie der Freud’sche Projektionsmechanismus oder ebendiese tückischen binären Codes, in welche sich der „erfolgreiche Fernseh- und Bühnensatiriker“ unversehens selbst verstrickt, wenn er freizügig Zuschreibungen an Linke beziehungsweise Rechte verteilt. Achtung also: Ist nicht ein (ARD)-„Satiriker“ sozusagen hauptamtlich dauerhaft im Widerstandsmodus und damit auch in permanenter Gefahr, der Projektion anheimzufallen?

Gerd Büttner, Fürstenberg

Gesellschaft

„Der Begriff böse erklärt nichts“,

wochentaz vom 13. – 19. 1. 24

Endlich mal ein etwas anderer blick in diesen dschungel von gut-und/oder-böse. Und das ganz besondere highlight dieses gesprächs: der begriff „identitätspanik“; das ist eine so treffende bezeichnung für ganz viele gesellschaftliche prozesse, die sich immer mehr hochschaukeln und kaum in den griff zu bekommen sind; siehe afd. ein zeichen dafür, wie stark die verunsicherung sehr vieler menschen geworden ist: durch die vielen bedrohlichen und so nahe gerückten kriege, die drohende klimakatastrophe mit all den damit verbundenen an- und überforderungen an jede/n einzelne/n, die vielen so konfus agierenden politiker/innen, das immer schneller werdende leben et cetera. An was soll frau/mann sich denn da festhalten?

Thomas Maier, Alzey

Weckruf

„Was tun gegen die Faschisten?“,

wochentaz vom 13. – 19. 1. 24

Es ist für mich erschreckend, mit welchen Themen demokratiefeindliche Gruppen wie die Identitäre Bewegung oder die AfD immer ungenierter in der Öffentlichkeit in Erscheinung treten. Das Thema „Remigration“, also Deportation von Menschen mit Migrationshintergrund (auch Deutschen), deren Freunde und auch ehrenamtliche Helfer dieser „Deutsch-Migranten“ in Lagern im Ausland unterbringen zu wollen, ist im höchsten Maße eine unfassbare Menschenverachtung und macht mich wütend. Viel zu lange hat die große Öffentlichkeit geschwiegen! Wir müssen die Demokratie bewahren, denn nur sie schafft Gleichwertigkeit, achtet Vielseitigkeit und bewahrt die Menschlichkeit untereinander.

Name ist der Redaktion bekannt

Hilflose Mitte

„Was tun gegen die Faschisten?“,

wochentaz vom 13. – 19. 1. 24

Die „Hilflosigkeit im Umgang mit der AfD“ breitet sich nicht nur im linksgrünen Spektrum, sondern längst auch in der Mitte der Gesellschaft immer weiter aus. Allerdings beruht sie in der Mitte gerade nicht auf der Annahme, dass „niemand mehr zu wissen scheint, was noch hilft“, sondern auf der Wahrnehmung, dass die dominierenden Regierungsparteien und die ihnen verbliebene Klientel weiterhin keine Bereitschaft zeigen, die Überzeugungen und Interessen jener demokratisch gesinnten Hälfte der Gesellschaft zu berücksichtigen, die sich weder links noch rechts verortet.

Wer (noch mehr) „linke Politik als echte Alternative zur Tristesse der Ampel“ fordert, verweigert sich dem, was noch helfen kann. Al Dente auf taz.de

LokführerInnen

„Die große Kränkung“,

wochentaz vom 13. – 19. 1. 24

Um es kurz zu machen: Die behauptete Kränkung der „Beamten“ unter den Lokführern ist wohl einer der marginalen Gründe für die extreme Streikbereitschaft der Kollegen. Auf Weselskys Art abheben: geschenkt.

Ich hätte mir gewünscht, dass sich Herr Hinck genauso tief mit dem Konflikt auseinandersetzt wie Jost Maurin mit den Bauern eine Seite weiter. Und dass für andere Berufsgruppen mit den gleichen – ­gesundheitsschädlichen – Arbeitsbedingungen die Forderungen der GDL in gleicher Weise Geltung haben könnten, ist nun nicht den Bediensteten der Bahn vorzuwerfen. Obwohl zum Beispiel medizinisches Personal und Pflegedienste wohl zu Recht gekränkt sein könnten. Allein, gewerkschaftlich organisieren müssen diese sich schon selbst. Jost Peter, Essen