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Preis für Jour­na­lis­t*in Masha GessenImmer noch ein Eklat mehr

Die feierliche Hannah-Arendt-Preisverleihung an Masha Gessen wurde abgesagt. Gessen verglich Gaza mit den Zwansghettos der Nazis.

In der Sowjetunion geboren, in den USA lebend: Masha Gessen auf der Leipziger Buchmesse 2019 Foto: STAR-MEDIA/imago

Eklat um den Bremer Hannah-Arendt-Preis für politisches Denken: Masha Gessen, LGBT*-Aktivist*in, Pu­bli­zis­t*in und Roman-Autor*in, wird ihn zwar bekommen. Aber aus Protest gegen Gessens jüngst im Magazin New Yorker erschienenen Essay haben sich die bundesweite und die örtliche Heinrich-Böll-Stiftung als Preisgeberinnen zurückgezogen und der Bremer Senat hat den für Freitag geplanten Festakt im Rathaus abgesagt.

Grund: Gessen, 1967 als Kind einer jüdischen Familie in Moskau geboren, hatte im Aufsatz gefordert, den Gazastreifen mit den jüdischen Zwangsghettos im von den Nazis besetzten Europa wiederzuerkennen. Nur das würde Gessen zufolge zu einer Sprache verhelfen, um zu beschreiben, was sich gerade in Gaza abspielt: „The ghetto is being liquidated.“

Statt Fakten, sonst die Stärke Gessens journalistischen und belletristischen Arbeiten, nennt Gessen in dem Text mit dem Titel „In the Shadow of the Holocaust“ indes in erster Linie gefühlte Anhaltspunkte für diese Gleichsetzung, wie die beengte Lage der Bewohner*innen. Die Bevölkerungsdichte war allerdings, daran hatte Perlentaucher-Redakteur Thierry Chervel erinnert, im Warschauer Ghetto indes fast 30-mal so hoch wie in Gaza.

Ehrung im kleinen Kreis

Trotz der Absage der Feierstunde hält der Hannah-Arendt­-Preis-Verein daran fest, Gessen am Samstag per Symposium wenigstens in einem kleineren Rahmen zu ehren, wie ein Sprecher betonte. „Der Vorstand fühlt sich an die Entscheidung der Jury gebunden.“

Bekannt gegeben hatte Gessen das aus einer Polonistin, vier Politik- und Ge­sell­schafts­­wis­sen­sch­aft­le­r*in­nen sowie dem ehemaligen taz-Reakteur Klaus Wolsch­ner zusammengesetzte Gremium im Sommer – allerdings mit Blick auf Gessens kenntnisreiche Texte über Russland und das Unrechtssystem Putins.

Im Social-Media-Portal X beschwerte sich Gessen nun, dass ihre Texte in Deutschland ohne Rücksprache kritisiert würden. Eine entsprechende-Anfrage der taz ließ Gessen indes bis Redaktionsschluss unbeantwortet.

In einer vorherigen Version des Textes wurde Masha Gessen misgendert. Wir haben es korrigiert.

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6 Kommentare

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  • Schon doof: Da setzt man Gaza mit dem Warschauer Ghetto gleich, insinuiert weiter, die israelische Armee sei nichts weiter als die Nazis und schließt das ganze mit dem Begriff der Liquidation, schon kommt die Meinungspolizei und möchte den freien Diskurs einschränken.

    Ich finde es schon interessant, wer sich da gerade wie äussert. Noch viel interessanter ist, wie zartfühlende Liberale diesen - man muss es doch aussprechen - faschistoiden Geschichtsrevisionismus unter bizarren Verrenkungen verteidigen.

  • Leider erinnert Masha Gessens Essay im New Yorker sehr an das sonst von rechten Kulturkämpfern geäußerte: „Man wird ja doch mal sagen dürfen“. Man darf alles sagen, aber es kann eben rein faktisch falsch sein, was man da teilweise von sich gibt, und die Grenzen eines konstruktiven Umgangs mit Themen überschreiten. Und es darf eben auch kritisiert und als Holocaust-Relativierung analysiert werden.

    Der Text mit falschem Zitat an wichtiger Stelle (mittlerweile korrigiert), die der Redigierung angelastet werden., interpretiert zB Wörter wie „Staatsräson“ oder „israelbezogener Antisemitismus“ falsch. Da ist bei der Übersetzung ins Englische vielleicht was schief gelaufen oder es war zu verlockend, sie im eigenen Sinne zu interpretieren.

    Der ganze Text ist durchzogen von Holocaust-Vergleichen wie : Gaza sei dem Warschauer Ghetto vergleichbar. Dazu die These, die Vergangenheitsbewältigung hier ginge in eine autoritäre Richtung. Quasi fast wie in Polen, wobei letzteres unter der PiS-Regierung eher Geschichtsfälschung betrieb. Das sagt Gessen schon, suggeriert aber, dass es hier eben auch so werden könnte. Ob aber ständige Holocaust-Vergleiche nicht auch dazu führen, dass Geschichte gefälscht und relativiert wird, was gerade der Rechten ein Anliegen ist, aber es nicht besser ist wenn es von der Linken kommt, darauf geht Gessen zB gar nicht es ein.

    Man fragt sich, ob Holocaust-Vergleiche den Nahost-Konflikt in irgendeiner Weise lösen helfen. Was in dem Essay fehlt ist z. B. die Reflektion über die reale Gefahr für hier lebende Juden und Jüdinnen durch israelbezogenen Antisemitismus und Holocaust-Relativierungen.

    Natürlich kann man das alles so sagen und schreiben, muss dann aber eben mit Kritik rechnen. Dass nun auch die „cancel culture“, die sonst ebenfalls eher von rechts beklagt wird, nun zum Problem der Linken wird, wäre fast schon von ironischer Brillanz, wenn nicht die Weltlage so traurig wäre.

  • Masha Gessen schreibt in ihrem Artikel "[Gaza is] like a Jewish ghetto in an Eastern European country occupied by Nazi Germany." Nur wenige Zeilen später stellt sie die Unterschiede heraus. "The term “open-air prison” seems to have been coined in 2010 by David Cameron, the British Foreign Secretary who was then Prime Minister. Many human-rights organizations that document conditions in Gaza have adopted the description. But as in the Jewish ghettoes of Occupied Europe, there are no prison guards—Gaza is policed not by the occupiers but by a local force."

  • Masha Gessens Pronomen ist they. They ist eine nichtbinäre Person. Wir sind so wenige, dass es mir schon besonders wichtig ist, darauf hinzuweisen. Selbst wenn diese Diskussion nicht die beste Form von Sichtbarkeit ist.

  • Vielleicht hätte sich Masha Gessen über die Liquidierungen z.B. des Warschauer Ghettos mal informieren sollen. Der Vergleich der aktuellen Situation in Gaza mit den Liquidierungen der jüdischen Ghettos in den von Nazideutschland besetzten Ländern Osteuropas ist einfach absurd. In der Wikipedia kann man ja mal mit dem Suchbegriff Warschauer Ghetto beginnen und dann lesen, was dort passiert ist.

  • Und was hat die Bevölkerungsdichte mit den völlig unmenschlichen Lebensbedingungen zu tun bei denen Menschen herumgetrieben werden, verhungern Kinder sterben?



    Die Absetzung von Preisen und Ausstellungen - Peter Weiss Preis, Ausstellung von Candice Breitz - etc.



    Es ist erschreckend. Masha Gessen nannte die derzeitige Situationen einen neuen McCarthyismus. Sie hat recht. Was würde wohl Hannah-Arendt dazu sagen? Sie wurde ja auch auf ähnliche Weise als Feindin Isreals gesehen muse.jhu.edu/article/594093. Schaffen den Preis ab, denn Arendt hätte sich einen solchen Umgang in ihrem Namen verbeten.