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großraumdiscoAuf Heimatbesuch bei den Eltern: Gespräche an der Feuerschale

Die Marie in Cottbus kannte die Autorin als Raucherkneipe, kurz hat sie dort auch gejobbt. Beim Tanzabend zu Weihnachten war sie jetzt das erste Mal

Weihnachten wurde in meiner Familie noch nie groß zelebriert, es wird gemeinschaftlich gegessen und Geschenke werden überreicht. Doch große Weihnachtsfans sind meine Eltern nicht. Nur eine Tradition ist ihnen heilig: an Heiligabend tanzen gehen in ihrer Stammkneipe, der Marie 23 – auch genannt Marie. Eine kleine urige Kneipe mit viel Charme in Cottbus, nicht weit vom Bahnhof. Und dieses Jahr war auch ich zum ersten Mal mitgekommen.

„An dem Abend trifft man Leute, die hast du das ganze Jahr nicht gesehen“, erzählte mir meine Mutter im Vorfeld. Sie war ganz aufgeregt, dass ich sie nun endlich einmal begleiten wollte. Jedes Jahr lädt der Kneiper Ulli am 24. 12. zur Weihnachtsparty in die Marienstraße Hausnummer 23 ein.

Bevor ich zum Studieren weggezogen bin, habe ich für wenige Monate in der Marie 23 gearbeitet. In dieser kurzen Zeit lernte ich den Ort zu schätzen, ich traf dort interessante Menschen. Meist genügte ein Verweis auf meine Eltern, und schon wussten alle Bescheid. Wäre ich in Cottbus geblieben, hätte ich vermutlich noch viele Nächte dort verbracht.

Doch als Tanzbar kannte ich die Marie noch nicht. Als wir die Kneipe gegen halb zwölf am Abend betreten, ist die Bude bereits voll. Von weiten höre ich schon Pink Floyds „Another Brick in The Wall“. Kommt man rein und geht rechts an der Bar vorbei, erstreckt sich der Kneipenraum nach hinten weiter. Auch die andere Seite des Hauses ist voll. Normalerweise ist dort eine Galerie. Doch die ist heute Teil der Kneipe und bestückt mit dem Kneipenmobiliar.

Ich schlängele mich hinter meiner Mutter an der Bar vorbei, begrüße Ulli und hole mir ein Bier. Meine Mutter würde hier heute aushelfen, Aschenbecher säubern und leere Bierflaschen abräumen.

Ich will zunächst in den Garten. Auf dem Weg dahin entdeckte ich eine ehemalige Arbeitskollegin von mir, es kommt zu einem kurzen, aber sehr unangenehmen Na-und-bei-dir-so, dass eher einem Pflichtgefühl entspringt. Rasch entziehe ich mich und bahne meinen Weg weiter durch die Menge.

Draußen brennt in einer Schale ein Feuer. Drumherum erkenne ich einige Kneipenurgesteine, sehe aber auch viele junge Menschen um die Anfang bis Mitte zwanzig, mein Alter ungefähr: die „neue Generation“, der Ausdruck fällt heute Abend häufig. Die Eingesessenen meinen damit Leute wie mich.

Immer wieder lässt der Wind die Funken sprühen. „Es gab Zeiten, da standen wir hier im tiefsten Schnee“, berichtet mir einer, während er seinen Blick durch die Flammen gleiten lässt.

Happy New Year!

stadtland wünscht für das neue Jahr alles Gute, vor allem Gesundheit und Glück. Wir lesen uns in 2024!

Im Garten treffe ich auf Iris, über ihren Anblick freue ich mich sehr. Iris ist vielleicht Mitte fünfzig und gehörte zu meinen Lieblingsgästen. Ich hatte sie seit Beginn meines Studiums nicht mehr gesehen. Ich gesellte mich zu ihr, ihrem Bruder und einer Frau namens Irene.

Irene ist 65 und Rentnerin und erst seit Kurzem wieder zurück in Cottbus, nachdem sie jahrelang in der Nähe von Köln gelebt hat. Sie trägt einen warmen roten Hut mit einem dazu passenden Schal. Ihre Ohrringe sind funkelnde Tannenbäume, aus den Ärmeln ihrer Jacke lugen Stulpen mit dem Gesicht der Mona Lisa hervor.

Das Gespräch kreist um komplizierte Familiengeschichten, um das Sich-selbst-finden, das Erwachsenwerden und den Umgang mit unangenehmen Alltagssituationen. „Einmal am Tag muss man sich blamieren. Das stärkt das Selbstbewusstsein“, sagt Irene. Aus ihrem Zigarettenetui zieht sie eine kleinen Joint. „Die Zeiten sind bei mir vorbei“, sage ich. Die anderen lachen.

Mit ihren Moves dominiert Irene die Tanzfläche. Ich bin beeindruckt von ihrer Energie

Drinnen ist die Tanzfläche mittlerweile voll, die Luft schwitzt, erst läuft Queen, dann Abba. Die Ärzte habe ich draußen leider verquatscht. Irgendwann stoßen Irene und auch meine Mutter dazu. Mit ihren Moves dominiert Irene die Tanzfläche. Ich bin beeindruckt von ihrer Energie. Vielleicht ist das Altwerden doch gar nicht so schlimm, denke ich.

Gegen vier, fünf Uhr morgens verabschiedete sich Irene. Ich bleibe noch. Luise Bartsch

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