Das Superwahljahr
2024 werden weltweit mehr Menschen wählen gehen als je zuvor in der Geschichte. In sieben der 10 bevölkerungsreichsten Länder der Erde stellen sich die Regierungen zur Wahl, insgesamt sind es gut 40 Prozent der Weltbevölkerung: von Indien (1,43 Mrd. Einwohner) bis Tuvalu (11.000 Einwohner), von den schwerreichen USA bis zum bitterarmen Südsudan, vom aggressiven Russland bis zum kriegsbedrohten Taiwan. Dazu kommen die Wahlen zum EU-Parlament und richtungweisende Landtagswahlen in Deutschland. Vorschau auf ein Jahr, das die Welt verändern könnte
Österreich wählt im Herbst ein neues Parlament (Nationalrat), der Termin steht noch nicht genau fest. Spitzenreiter in allen Umfragen ist die rechtspopulistische FPÖ, sie liegt stabil bei 30 Prozent. Die derzeitige Koalition aus konservativer ÖVP und Grünen dürfte keine Mehrheit bekommen. Ob sich der aktuelle Rechtskurs der ÖVP auszahlt, um FPÖ-Frontmann Herbert Kickl Stimmen abzunehmen, ist fraglich.
In Portugal findet die Parlamentswahl voraussichtlich am 10. März statt, Kroatien ist im Frühjahr an der Reihe, ein genaues Datum gibt es derzeit nicht. Belgien legt am 9. Juni nach, um seine Abgeordneten zu bestimmen. In Litauen wird am 13. Oktober ein neues Parlament gewählt. Sollte aus der ersten Runde niemand als Sieger hervorgehen, geht es 14 Tage später in die zweite Runde. Im letzten Quartal wählt auch Rumänien. Außer dem Parlament wird dort auch ein neues Staatsoberhaupt bestimmt. Auch hier stehen noch keine genauen Termine fest. (bo)
In El Salvador will der autoritär regierende Nayib Bukele am 4. Februar wiedergewählt werden und hat dafür gute Chancen. Seine Politik gegen die Gangs ist eine menschenrechtliche Katastrophe, kommt aber gut an. Eigentlich verbietet die Verfassung eine Wiederwahl – um das zu umgehen, hat sich Bukele vom Parlament „beurlauben“ und gleichzeitig seine Kandidatur absegnen lassen.
In Venezuela will die Opposition erneut versuchen, den Hugo-Chavez-Nachfolger Nicolas Maduro abzulösen. Im Oktober hatten sich Regierung und Opposition auf international beobachtete Wahlen 2024 geeinigt, kurze Zeit später bestimmte die Opposition die rechtskonservative Marina Corina Machado zur Kandidatin.
In Uruguay schickt sich die linke Frente Amplio an, nach dem Intermezzo der Rechtsregierung erneut gewählt zu werden. (pkt)
Senegal und Ghana, Westafrikas stabilste Demokratien, wählen im Februar bzw. Dezember. Die Präsidenten Macky Sall und Nana Akufo-Addo können beide nach zwei Amtszeiten nicht mehr antreten und halten sich auch daran. Gleichzeitig sind in Senegal alle wichtigen Oppositionellen disqualifiziert und Ghana steckt in einer Schuldenkrise. Als Demokratien gelten auch Botswana und die Komoren, die dieses Jahr wählen.
In Ruanda (Juli), Mosambik (Oktober) und Namibia (Dezember) dürften regierende Ex-Befreiungsbewegungen an der Macht bestätigt werden. Ex-Befreiungsbewegungen regieren auch Südsudan und Somaliland, aber Südsudans Wahlen 2024 funktionieren nur ohne Bürgerkrieg. Somaliland ist wiederum international kaum anerkannt. Eine Festigung autoritärer Herrschaft ist in Algerien und Tunesien Richtung Jahresende sowie Tschad und Mauretanien zu erwarten. (D.J.)
Taiwan wählt Präsident, Vize und Parlament am 13. Januar. Es gibt drei Präsidentschaftskandidaten. Beste Chancen hat William Lai Ching-te von der liberalen Demokratischen Fortschrittspartei (DPP). Denn die konservativeren KMT und TPP konnten sich nicht einigen. Die Peking-kritische DPP könnte jedoch ihre Parlamentsmehrheit einbüßen. Das dürfte für Instabilität im größten potenziellen Konfliktherd zwischen China und den USA sorgen. China sieht Taiwan als abtrünnige Provinz, droht mit gewaltsamer Vereinigung und versucht, die Wahlen zu beeinflussen. Die USA haben sich zum nicht näher definierten Schutz der Inselrepublik verpflichtet.
Bangladesch (7. 1.), Bhutan (9. 1.), Tuvalu (26. 1.), Pakistan (8. 2.), Palau (12. 11.) sowie Sri Lanka und die Salomonen (bei Letzteren steht das genaue Datum noch nicht fest) wählen 2024 ebenfalls. (han)