REFERENDEN: STATT IN GROSSBRITANNIEN VIELLEICHT IN ITALIEN
: Populisten erschnüffeln Euro-Thema

Großbritannien legt sein Referendum über die EU-Verfassung wie erwartet auf Eis. Bekommen wir dafür ein anderes: ein Referendum über den Ausstieg Italiens aus dem Euro? Noch vor zwei Wochen hätte der Vorschlag der Lega Nord überall nur ein müdes Lächeln bewirkt. Die populistische Partei, auch wenn sie Berlusconis Regierung angehört, gilt als Truppe von Knallchargen, die kaum vier Prozent der Stimmen holt. Doch diesmal war niemandem zum Lachen zumute, auch wenn die Lega Nord ihren Plan mit lustigen Details garnierte, so etwa damit, zwei Währungen parallel kursieren zu lassen, nur mit schwankendem Wechselkurs.

Das ist natürlich Quatsch. Doch politisch ist die Breitseite gegen den Euro nach den Referenden in Frankreich und den Niederlanden höchst brisant. Nicht mehr die zukünftige, sondern die schon bestehende Architektur Europas würde mit einer Volksabstimmung über den Euro ins Zentrum der politischen Auseinandersetzung gerückt – nicht mehr die abstrakte institutionelle Ausgestaltung Europas, sondern sein sichtbarer ökonomischer Kern. Schon in den Niederlanden stritten die Neinsager auch gegen den Euro, der zu teuer gegen den Gulden eingetauscht worden sei.

Der Angriff auf den Euro birgt Sprengstoff, weil das Leiden auch der bislang überdurchschnittlich Europa-begeisterten Italiener an der Gemeinschaftswährung einen realen Kern hat. In den Zeiten der Lira konnte das Land periodisch alle paar Jahre seine Konkurrenzfähigkeit per Abwertung der nationalen Währung wiederherstellen. Doch dieses Ventil ist seit Einführung des Euro endgültig versperrt. Gewiss, Italiens Unternehmer freuen sich heute über niedrige Zinsen – doch die nützen ihnen nichts, wenn sie dank zu hoher Kosten Jahr um Jahr Positionen einbüßen, in der Euro-Zone genauso wie außerhalb.

Erneut rächt sich hier, dass bei der Einführung des Euro zwar viel Feiertagsrhetorik zu hören war, aber wenig Substanzielles über die Risiken der Gemeinschaftswährung für die beteiligten Volkswirtschaften. Das hat die Lega Nord mit sicherem populistischem Riecher erkannt. Heute noch mag ihr Vorschlag absurd klingen, doch morgen schon könnte er mehrheitsfähig sein. MICHAEL BRAUN