Siemens-Handys bald „made in Taiwan“

Der Münchener Konzern bringt den Mobilfunk in ein neues Gemeinschaftsunternehmen ein. Der Partner ist offenbar BenQ aus Taiwan. IG-Metall-Vertreter im Aufsichtsrat fordert Garantien für Beschäftigte und Führung des Jointventures durch Siemens

Nach dem Xelibri-Flop und Softwarefehlern liegt Siemens weltweit nur noch auf Platz 5

VON STEPHAN KOSCH
UND SVEN HANSEN

Die Siemens AG hat offenbar einen Partner für ihre defizitäre Handy-Sparte gefunden. Zwar lag bis zum Redaktionsschluss noch keine offizielle Bestätigung vor. Allerdings war die Partnersuche Thema einer Telefonkonferenz des Aufsichtsrates am gestrigen Nachmittag, erklärte ein Sprecher. Einen Bericht der Financial Times Deutschland, wonach der taiwanesische Handyhersteller BenQ Mehrheitspartner in einem neuen Gemeinschaftsunternehmen werden soll, wurden weder bestätigt noch dementiert. Die Börsen glaubten dem Zeitungsbericht, Siemens-Aktien waren gefragt.

Bereits Ende April hatte der neue Siemens-Chef Klaus Kleinfeld angekündigt, dass die Handy-Sparte aus dem Konzern ausgegliedert und zukünftig gemeinsam mit einem Partner betrieben werden soll. Hintergrund sind anhaltende Verluste in diesem Segment, in der ersten Hälfte des Geschäftsjahres 04/05 allein 281 Millionen Euro. Teure Flops wie die mittlerweile eingestellte Life-Style-Marke „Xelibri“ und das Verschlafen von wichtigen Trends wie Klapphandys oder Geräte mit integrierter Kamera machten Probleme, hinzu kam noch ein Softwarefehler in der neuen Serie 65. Das sorgte für sinkende Kundenzahlen. Im ersten Quartal diesen Jahres hatte Siemens nur noch einen Marktanteil von 5,5 Prozent und lag damit nur auf Platz fünf hinter dem Branchenführer Nokia (30,4 Prozent), Motorola (16,8), Samsung (13,3) und LG (6,2).

Als möglicher Partner der Sparte war bis zuletzt auch Motorola im Gespräch. Nun hat offenbar BenQ das Rennen gemacht. Das Unternehmen ist eine 1984 erfolgte Ausgründung von Acer, des bekanntesten taiwanesischen Elektronikkonzerns. Heute ist die aus mittlerweile zehn Firmen bestehende und rasant wachsende BenQ-Gruppe mit weltweit knapp 30.000 Mitarbeitern vor allem in den Bereichen Kommunikation, Anzeigentechnologie (Bildschirme und Projektoren) und Optoelektronik (z. B. Scanner) aktiv. BenQ ist der weltweit zweitgrößte Produzent von Flachbildschirmen und Nummer drei bei DVD-Laufwerken.

2004 machte die Gruppe einen Umsatz von rund 4,7 Milliarden Euro. Mit Produktionsstätten in Taiwan, China, Malaysia und Mexiko und Niederlassungen in 45 Staaten macht BenQ bisher erst etwa ein Drittel seines Umsatzes unter eigenem Namen. In drei Jahren will BenQ zehn Prozent des chinesischen Handymarktes erobert zu haben.

Bei den rund 10.000 Siemens-Mitarbeitern riefen die Berichte Sorge um die Arbeitsplätze hervor. „Es darf nicht um einen Ausstieg gehen“, sagte Aufsichtsratsmitglied Wolfgang Müller von der IG Metall gestern der Nachrichtenagentur dpa. Siemens müsse in einem Gemeinschaftsunternehmen die industrielle Führung haben. Nur so könne eine verlässliche Lösung für die Arbeitnehmer gefunden werden. Allerdings hatte Finanzvorstand Heinz Joachim Neubürger im April gesagt, es sei „unwahrscheinlich, dass wir die Mehrheit behalten“.

In jedem Fall müsse es umfangreiche Garantien für die Beschäftigten geben, forderte Müller. In der Handysparte von Siemens sind 10.000 Menschen beschäftigt, 6.000 davon in Deutschland. In der Telefonfertigung in Bocholt und Kamp-Lintfort hatten sich die Arbeitnehmer im vergangenen Jahr auf längere Arbeitszeiten bei gleichem Lohn und den Abbau von Vergünstigungen eingelassen. Dafür wurde die Verlagerung von Produktionsteile nach Ungarn für zwei Jahre auf Eis gelegt.