Die Erleuchtung

Es beugt sich aller Jünger Fuß schon morgens mir zum Sonnengruß und schafft mir Distinktionsgewinn, wenn ich erstmal erleuchtet bin.

Bin ich erst Swami oder Meister, gelingt mir alles. Und wie Kleister kleben die Jünger dann an mir. Und Jüngerinnen! Quel Plaisir!

Schon morgens wird recht viel gebetet, danach ein Mandala geknetet. Dann hört man mich mein Mantra summen, bis alle Restsynapsen brummen.

Am Mittag kurz ein Geistweltschlaf, später dann folgt nach Paragraph drei/sieben vom Erleuchtgesetz ein bissl Esokram-Geschwätz.

Dann schwebe ich, geh meditieren, bin transzendent auf allen vieren, und nachmittags um fünfe schon hab ich dann frei. Als Mindestlohn

winkt mir Gesellschaft aller Damen im Ashram – die mit Engelsnamen.Nicht Dörte und nicht Jacqueline, Jeannette nicht, nicht Caroline,

nein, um mich rum tragen die Damen nur allerfeinste Seltsamnamen: Sie heißen Sutra oder Kama und sind mir süßes Liebes-Drama.

Auch finanziell: Ganz ohne Sorgen leb ich vom Heut ins Übermorgen. Fast täglich mach ich obendrauf in Genf ein neues Konto auf –

das alte ist schon wieder voll. Denn das ist ja besonders toll: Es schenken mir die Jünger das, was ich so liebe: Geld en masse.

Wer trinkt schon Wasser, wenn er Wein bekommen kann. Kein Schwein versteht den ganzen Brahmaquatsch? Ja und? Was soll’s? Kladderadatsch!

So toll ist mir das Meisterleben, es kann kein bessres Leben geben. Und alles hat dann endlich Sinn – wenn ich erstmal erleuchtet bin.

Peter P. Neuhaus