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das wird„Ich komme eher von der Ästhetik des Staunens“

Tom Pearsons lädt im Sprengel-Museum Hannover zu einem Ritual

Interview Alexander Diehl

taz: Tom Pearson, wenn ich mich am kommenden Samstag ins Sprengel-Museum verlaufe, genauer in den dortigen Calder-Saal: Was finde ich dort vor?

Tom Pearson: Nun, er könnte erst mal aussehen wie an jedem anderen Tag auch: Menschen bewegen sich durch den kahlen, aber sehr schönen Saal, in dessen spiralförmiger Architektur die oben im Raum hängenden Calder-Mobiles widerhallen. Wenn aber unsere Show beginnt, wird sich das Ambiente ändern, sammeln, denke ich. Die Per­for­me­r:in­nen werden das Publikum allmählich hineinziehen in ein Geschehen, ebenso förmlich wie lässig; ein Konzert, das zur Teilnahme einlädt und in einer Art rituellen Beziehung steht zu Musik und Performance.

Gespielt werden Stücke von Witold Lutosławski, John Cage und Caroline Shaw sowie – als Uraufführung – ein Stück von Brigitta Muntendorf, und das vom hannoverschen Flex-Ensemble, zugleich Koproduzent des Ganzen. Wie kam diese Zusammenarbeit zustande?

Nun, Martha Bijlsma …

… die Cellistin des Ensembles

Wir haben uns in Italien getroffen, als ich Theater-Stipendiat der Bogliasco-Stiftung war, und ihr Partner, der Komponist Gordon Williamson, Musik-Stipendiat. Wie es der Zufall wollte, war sie genau an dem Tag zu Besuch, als ich meine Arbeit präsentierte – eine Verbindung wurde geknüpft. Während der Pandemie habe ich mit dem Ensemble über Zoom gearbeitet: Uns interessierte, wie die Musik, wie Musizierende die Werkzeuge des immersiven Theaters nutzen können, um die sogenannte vierte Wand zu durchbrechen; und wie sich das Publikum einladen ließe zu einer noch tieferen Beschäftigung mit der Musik.

Laura Bianchi

Tom Pearson

ist Choreograf, Regisseur, Poet und Multimediakünstler. Er leitet die New Yorker Performancegruppe „Third Rail Projects“, die er mitgegründet hat.

Wie nahm dann „Calder Moves“ Gestalt an?

Im Sommer 2022 bin ich nach Hannover gekommen, und wir sind alle zusammen ins Sprengel-Museum gegangen. Um diese Zeit haben wir auch die Projektidee entwickelt. Einen Entwurf jedenfalls gab es, als ich aus Hannover abgereist bin. Seitdem hat das Flex-Ensemble sich mit einer musikalischen Antwort auf Calders Kunst beschäftigt, also dem musikalischen Programm, aber auch dem Kompositionsauftrag an Brigitta Muntendorf. Ich selbst komme eher von der Ästhetik der Laune, des Zufalls und des Staunens – alles wichtige Größen für Calders eigenes Schaffen.

Apropos: Deutschland ist das Land, in dem die meisten seiner Arbeiten ausgestellt werden – abgesehen von den USA, seiner Heimat, die noch mal deutlich davor rangiert. Wie bekannt, wie wichtig ist er dort als Künstler?

Auf Calder stößt du in den Vereinigten Staaten überall: in beinahe jedem Museum und sehr vielen öffentlichen Räumen. Die meisten Menschen kennen sein Werk, ohne dass sie das überhaupt wissen: Seine Mobiles und „Stabiles“ …

… also die großformatigen Landschafts-Metallskulpturen, in oft leuchtenden Farben …

„Calder Moves. A New, Intimate Immersive Experience featuring Music, Dance and Art“: Sa, 9. 12., 16 Uhr, So, 10. 12., 15 + 18 Uhr, Hannover, Sprengel-Museum/Calder-Saal. Eintritt nach eigenem Ermessen, verbindliche Reservierung auf www.flexensemble.com

… die dürften die unter Ame­ri­ka­ne­r:in­nen bekanntesten Beispiele moderner amerikanischer Kunst sein.

Sie haben das Immersive erwähnt – ein vielleicht zu oft bemühter Anspruch heutzutage: Worin bestehen die immersiven Qualitäten bei Ihrem Projekt?

Ja, „immersiv“ ist schon sehr zum Buzzword verkommen. Es gibt aber doch ein ganzes Spektrum an interaktiven Möglichkeiten bis hin zur Immersion; ich verstehe darunter die vollständige Kontrolle über einen gewidmeten und rigoros gestalteten Raum. „Calder Moves“ liegt da irgendwo in der Mitte. Der Saal ist halböffentlich und wir verändern ihn auch nicht – aber wir antworten ihm. Insofern ist das Projekt ortsspezifisch, bezogen auf Umgebung und Architektur. Calders Kunst stellt aber auch einen Bezugsrahmen bereit: Das Ganze ist inspiriert von „Calders’Mobiles“, mit denen es sich zugleich ja ganz konkret den Saal teilt. Noch immersiver dürfte die Idee sein, ein Ritual zu erschaffen, an dem das Publikum teilnehmen kann; der Versuch, ihm Wege zu eröffnen, eine noch intimere Beziehung zur Musik einzugehen: durch den Klang, durch eigene Bewegung und durch den direkten Kontakt zu den Aufführenden.

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