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Das nachhaltige Wanderkino

So unterhaltsam kann die Energiewende sein: Das Cinema del Sol kommt per Fahrrad und bringt den nötigen Strom in Form von Solarmodulen gleich mit

„Wie tanken Sie Kraft auf?“ Ihre Antwort können Gäste des Cinema des Sol aufschreiben, und bevor die Filmvorführung beginnt, werden drei Zettel vorgelesen und die Antwortgeber mit einem kleinen Geschenk belohnt. Der Hauptpreis: Eine Solarlampe. Ein passender Beginn für einen ungewöhnlichen Kinoabend. Das Cinema del Sol ist ein Wanderkino, das seine komplette Technik samt großer Leinwand mit zwei Fahrrädern an besondere Orte bringt, um dort meist unter freiem Himmel Filme zu zeigen – und das seinen Strom komplett aus Sonnenenergie bezieht. Dafür sorgen auf den Fahrradanhängern große 100-Watt-Solarmodule, in denen Sonnenenergie für eine zweieinhalbstündige Vorführung gespeichert ist. Die Technik wurde von der Region Hannover finanziert. Seit 2017 ist ein Team um Volker Stahnke mit dem Solar-Kino in Hannover und Umgebung vor allem im Sommer unterwegs, um für den Einsatz erneuerbarer Energien zu werben und BesucherInnen einen schönen Kinoabend zu bereiten.

„Vor Beginn der Vorführung stellen wir unser Projekt vor und zeigen kurze Vorfilme zum Thema Nachhaltigkeit“, sagt Stahnke. In einem Clip wird ein Fluggast von einer Stewardess mitten während des Fluges aufgefordert, einen Fallschirm umzuschnallen und auszusteigen – er hat sein CO2-Konto heftig überzogen. Die etwa 50 Zu­schaue­r:in­nen nicken und lachen. Sie sind an diesem Abend in die Lutherkirche Hannover gekommen, um den Spielfilm „7 Göttinnen“ zu sehen, in dem es um die Rolle der Frau in Indien geht. Gezeigt wird er in Kooperation mit dem Evangelisch-lutherischen Missionswerkes in Niedersachsen, das in seiner Reihe ELM Sommer-Kino auf die prekäre Lage von Menschen in Ländern der südlichen Halbkugel aufmerksam machen will. „7 Göttinnen“ sollte auf dem Kirchvorplatz laufen, doch wegen des Regens wird der Streifen in die Kirche verlegt.

In diesem Jahr hat Stahnke bisher 25 Filmvorführungen in Zusammenarbeit mit lokalen Veranstaltern organisiert, in Dörfern in Pfarrgärten oder an Badeseen wie auch in Hannover vor Stadtteilzentren oder Jugendtreffs. Erstmals war man zu vier Vorstellungen im Ruhrgebiet im Rahmen einer Solarkampagne zu Gast. „Die Region Hannover ist unser Schwerpunkt, aber bei freien Terminen können wir auch weiter weg Kinoabende anbieten“, sagt Stahnke. Zum Repertoire gehören 25 Unterhaltungsfilme mit populären Titeln wie „Fack ju Göthe“ oder „Beckenrand Sheriffs“. Außerdem schlagen Veranstalter häufiger Streifen mit kritischem Inhalt vor wie zum Beispiel den neuen Dokumentarfilm „Bigger than us“ über den Kampf gegen Plastikmüll in Ländern wie Indonesien, Malawi und Brasilien. Initiator dieses laut Stahnke bundesweit einmaligen Kinos ist der Wissenschaftsladen Hannover.

Das Konzept setzt auf die Mischung von Information und Unterhaltung. So werden Schulklassen Solar-Workshops angeboten, in denen es um Fragen wie „Was passiert im Solarmodul?“ oder „Wo wird der Sonnenstrom gespeichert?“ geht, bevor ein Film gezeigt wird, in dem es meist auch etwas zu lachen gibt.

Bei öffentlichen Vorführungen nutzen Zu­schaue­r:in­nen oft die Gelegenheit, sich bei Stahnke nach Details seiner besonderen Kinotechnik zu erkundigen – und kommen dabei nicht selten auch darüber ins Gespräch, wie die Solarenergie in den eigenen vier Wänden genutzt werden kann. Nebenbei erfahren sie auch, dass er nach der Vorführung kräftig in die Pedale treten muss, um den 80 Kilo schweren Anhänger wieder an seinen Standort in Hannover zu bringen. Die nötige Kraft bezieht Stahnke aus vielen zufriedenen Kinogängern.

Im Unterschied zu Photovoltaikanlagen können die wesentlich kleineren Steckersolargeräte von Privatpersonen selbst angebracht, angeschlossen und genutzt werden. Als Standort kommen nach Angaben der Verbraucherzentrale Nordrhein-Westfalen Balkone, Terrassen, Dächer und Außenwände infrage. Diese Minisolaranlagen lassen sich auch leicht entfernen und zum Beispiel nach einem Umzug wieder neu in Betrieb nehmen. Laut Verbraucherzentrale kostet ein Steckersolargerät mit Standardmodul etwa 350 bis 600 Euro. Ob sich diese Anschaffung wirtschaftlich rechnet, kann man auf der Homepage der Hochschule für Technik und Wirtschaft Berlin überprüfen.

solar.htw-berlin.de/rechner/stecker-solar-simulator

Joachim Göres

www.wissenschaftsladen-hannover.de

www.cinemadelsol.de