Schluss mit Mamma mia!

Es waren gute Wochen für das Selbstbewusstsein italienischer Mütter. Zuerst gab Ministerpräsidentin Giorgia Meloni bekannt, dass sie sich von Andrea Giambruno, dem Vater ihrer siebenjährigen Tochter, getrennt habe. Vielleicht, weil ihr die Schlagzeilen, für die der Fernsehjournalist in letzter Zeit gesorgt hatte, ein bisschen zu wild geworden waren: In geleakten Aufzeichnungen seiner Sendungen konnte man hören, wie er weibliche Gäste und Kolleginnen belästigte und sie ziemlich unverblümt zu Sexpartys einlud. Das war sogar für den Berlusconi-Sender Mediaset zu viel, Andrea Giambruno wurde hinter die Kulissen verbannt.

Und die ach so traditionelle Giorgia Meloni? Die machte ihre Trennung (sich scheiden lassen muss sie sich nicht, sie war ja nie mit Giambruno verheiratet gewesen) auf ihren Social-Media-Kanälen öffentlich. Unter italienischen Fe­mi­nis­t:in­nen entbrannte prompt eine Diskussion: War dies vielleicht ein unbeabsichtigt emanzipatorischer Akt? Wenn ausgerechnet die Frau, die sonst so gerne die vermeintlich traditionelle Familie aus Vater, Mutter und Kind beschwört, sich vom Vater ihres Kindes lossagt – hilft das nicht dem Ansehen aller alleinerziehender Mütter?

Während sich bei Meloni die italienischen Geister scheiden, wird eine andere mamma vorbehaltlos gefeiert: Die 75-Jährige aus dem norditalienischen Pavia, die ihre beiden erwachsenen Söhne aus dem Haus werfen will. Die zwei Brüder, 40 und 42 Jahre alt, sind schon seit Jahren arbeitstätig, aber weigerten sich, auszuziehen oder wenigstens Miete zu zahlen und im Haushalt mitzuhelfen. Also zog die Mutter vor Gericht und gewann. Die Männer müssen bis Mitte Dezember aus dem Haus verschwunden sein.

Was deutsche Medien nun schmunzelnd unter dem Motto „typisch italienische Muttersöhnchen“ auf ihre Panoramaseiten drucken, ist in Wahrheit viel mehr als eine witzige Meldung. Es ist ein emanzipatorischer Befreiungsschlag der italienischen mamma!

Denn verglichen mit dem deutschen Mutterbild steckt Italien noch in den 1950er-Jahren fest: Eine mamma soll alles für ihre Kinder tun, jeden Tag etwas Besonderes, Leckeres und gleichzeitig Gesundes für sie kochen, sie pflegen, wenn sie krank sind, aufpassen, dass sie sich nicht wehtun und sie eben auch bewirtschaften, bis sie von selbst ausziehen – wie lange das auch immer dauern mag.

„Mamma“ kocht, Sohn isst – Italien 1970. 50 Jahre später hat sich an dieser Arbeitsaufteilung wenig geändert Foto: Mondadori/AKG

Das führt dann dazu, dass Ita­lie­ne­r:in­nen im Schnitt 30 Jahre alt sind, wenn sie das Elternhaus verlassen. In Deutschland liegt das Alter bei 23,8 Jahren.

Italienische Mütter lassen sich also nicht mehr alles gefallen. Und weil wir Meloni aus guten Gründen hier nicht feiern werden, tun wir das mit der 75-jährigen ewigen mamma aus Pavia umso mehr. Als Vorbild für alle mammas, die es satthaben, einem sexistischen Idealbild entsprechen zu müssen. Lorenzo Gavarini