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Waschgänge in der Wüste

Saudi-Arabien, designierter Ausrichter der Fußball-WM 2034, schnappt sich mit zynischem Pragmatismus undPetrodollars ein Sportevent nach dem anderen, zur Freude des regierenden Kronprinzen Mohammed bin Salman

„Aufstrebendes Zuhause für alle Sportarten“: Kronprinz Mohammed bin Salman (l.) wird von Fifa-Chef Infantino, dem saudischen Sportminister al-Faisal und Ronaldo angehimmelt (v.r.n.l.)  Foto: Fo­to: reuters

Von Markus Völker

Der Machtanspruch Saudi-Arabiens hat ein Kürzel: MBS. Mohammed bin Salman, Kronprinz aus dem Hause Saud, lenkt das Land mit zynischem Pragmatismus. In einer milliardenschweren Anstrengung formt er seit etlichen Jahren und unter Einhaltung der „Saudi Vision 2030“ aus dem Wüstenstaat eine Hightech-Despotie, die größtes Augenmerk auf den Sport und dessen Großereignisse legt.

Die Fußballweltmeisterschaft wird nun also 2034 am Golf stattfinden. 48 Mannschaften werden in mindestens 14 Stadien antreten. Dass es dann an nichts mangeln wird, hat schon der Nachbar Katar gezeigt, Ausrichter der Weltmeisterschaft 2022. Mit Petrodollars und einer Organisation, die sich nicht groß um oppositionelle Stimmen scheren muss, wird die Logistik zur einfachen Fingerübung. Der Westen staunt angesichts der Möglichkeit des Durchregierens, nicht weniger über das hypertrophe Selbstbewusstsein der Saudis.

MBS, angesprochen auf seine doch sehr durchschaubare Strategie des Sportswashing, also des absichtsvollen Kaschierens und Übertünchens humanistischer Defizite mit Fußballbildern von Ronaldo und Co oder bunten Schnappschüssen von Golfspielen der LIV-Serie, Boxkämpfen und Formel-1-Rennen, sagte neulich im US-Fernsehender Fox News: „Wenn Sports­washing dazu führt, dass mein (sic!) Bruttoinlandsprodukt um etwa 1 Prozent steigt, dann werde ich weiterhin Sports­washing betreiben.“ Es sagte rundheraus, dass ihn die Bedenken des Werte-Westens kaum jucken, im Gegenteil, er werde noch konsequenter seine Strategie des Wachstums auf diesem Feld verfolgen: „Ich ziele darauf ab, noch einmal 1,5 Prozent beim Bruttoinlandsprodukt durch Sport draufzusatteln. Nennen Sie es, wie Sie wollen, wir streben nach diesen weiteren 1,5 Prozent.“ Saudi-Arabien liegt mit einem Pro-Kopf-Brutto­inlandsprodukt von 44.000 Dollar gar nicht mehr so weit weg von Deutschland (53.000 Dollar), und das ist bemerkenswert für ein Land, in dem die Säuglingssterblichkeit 1970 noch bei etwa 11 Prozent lag.

MBS hat nach den innersaudischen Wirren Anfang der 80er Jahre und einer wahabitisch-religiösen Versteifung erkannt, dass eine gewisse Flexibilität vonnöten ist, um dem Land ultimativen Wohlstand zu bringen. Da die Sklaverei 1963 abgeschafft wurde, erledigt nun ein Heer von über zwölf Millionen migrantischen Arbeitern die niederen Tätigkeiten. Auch außenpolitisch zeigt sich Saudi-Arabien flexibel: Das Land näherte sich erst Israel an, später dem Iran; die Drähte nach Washington sind gespannt.

Die saudischen Transformationspläne könnten nicht größer und ambitionierter sein. MBS möchte nicht nur den beargwöhnten Nachbarn Katar in den Schatten stellen, sondern der Welt beweisen, was mit der cleveren Verwaltung von Bodenschätzen alles möglich ist. Zum Beispiel: asiatische Winterspiele im Jahr 2029. In einer Bergregion wird ein Gebiet namens Trojena zur Skidestination ausgebaut. Wintersport soll angeblich übers ganze Jahr möglich sein. „Trojena wird den Bergtourismus für die Welt neu definieren“, sagt MBS in blumigen Worten, „diese zukunftsweisende Vision wird sicherstellen, dass der Bergtourismus eine weitere Einnahmequelle sein wird, um die wirtschaftliche Diversifizierung des Königreichs zu unterstützen und gleichzeitig seine natürlichen Ressourcen für künftige Generationen zu erhalten“.

Das touristische Gesamtkonzept nennt sich Neom, und schon jetzt sind spektakuläre Hotels in Animationen zu sehen, die sich wie Felsenklöster an die Bergwände schmiegen. Ausgeführt werden die saudischen Pläne fast ausschließlich von Managern aus dem Westen, die sich ihr Engagement gut bezahlen lassen. Gut möglich, dass dann Fifa-Chef Gianni Infantino auch wieder ins Ausrichterland zieht, um den WM-Fortschritt zu überwachen. Noch wohnt seine Familie in Doha/Katar. Seine Kontakte zum saudischen Fifa-Council-Mitglied Yasser Almisehal, Präsident des saudischen Fußballverbandes, sind jedenfalls eng.

„Die WM ist ein natürlicher nächster Schritt auf unserer Fußballreise“

Abdulaziz bin Turki al-Faisal, Saudi-Arabiens Sportminister

Es ist an Roberto Mancini, dem italienischen Coach, die saudische Fußball-Nationalmannschaft der Männer nun zu Erfolgen zu führen. Bei der Katar-WM unter seinem Vorgänger Hervé Renard glückte schon mal ein Sieg gegen den späteren Weltmeister Argentinien, aber es soll 2034 mehr herausspringen als vor Jahresfrist für die heillos überforderten Katarer. Die nächsten Statio­nen: die Qualifikation für die WM 2026 in Nordamerika und der Asien-Cup 2027 in Saudi-Arabien. Die ersten Länderspiele unter der Leitung Mancinis verliefen nicht so gut. Die „grünen Falken“, wie sie genannt werden, unterlagen gegen Costa Rica (1:3) und Südkorea (0:1). Die Partien fanden nicht etwa in Saudi-Arabien, in Riad oder Dschidda statt, sondern im St. James’ Park in Newcastle.

Das dortige Team der Magpies gehört seit 2021 dem saudischen Staatsfond Public Investment Fund, und zu heiß wäre es am Golf wohl auch gewesen. Um den WM-Spielern bessere klimatische Bedingungen zu garantieren, wird bereits über eine Verlegung der WM 2034 in den Winter diskutiert. Infantinos Fifa wird’s möglich machen. Denn: „Als aufstrebendes und einladendes Zuhause für alle Sportarten glauben wir, dass die Ausrichtung einer Fifa-Weltmeisterschaft ein natürlicher nächster Schritt auf unserer Fußballreise ist“, wie Saudi-Arabiens Sportminister Abdulaziz bin Turki al-Faisal sagt. MBS hätte es nicht besser formulieren können.

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