taz🐾thema
: energiewende

die verlagsseiten der taz

Die soziale Frage im Heizkeller

Wer die Energiewende ernst nimmt, muss auch die Wärmewende wollen. Die im September vom Bundestag verabschiedete Novelle des Gebäudeenergiegesetzes soll die Transformation in den Heizkellern beschleunigen. Aber was bedeutet das für Mieter?

Zeit für etwas Neues: Deutschland muss die Wärmewende angehen   Foto: Arno Burgi/dpa/picture alliance

Von Dierk Jensen

Der Aufschrei war groß. „Wohlstandsvernichtung“ witterten viele, als erste Einzelheiten zum Entwurf einer Novellierung des Gebäudeenergiegesetzes (GEG) im Frühjahr aus dem Wirtschaftsministerium sickerten: „Habeck will uns das Heizen verbieten!“ titelte es auf dem Boulevard. Und sogar unter den Akteuren der erneuerbaren Energien hagelte es Kritik, beabsichtigten doch die beteiligten Referenten mit einem sehr auf die Wärmepumpe fixierten Transformationsansatz, die feste Biomasse, also Holz, als grünen Brennstoff langfristig zu verbannen. Eigentlich nicht zu verstehen, weil von den bescheidenen 17,3 Prozent Anteil an erneuerbaren Quellen am gesamten deutschen Wärmemarkt bislang der Löwenanteil aus der Bioenergie kommt: Über 80 Prozent, wovon rund 65 Prozent Holz sind.

Aber der Reihe nach: Während die Stromproduktion aus Wind, Sonne und Biogas in den letzten zwei Jahrzehnten bemerkenswerte Zuwächse erzielt und mittlerweile fast die Hälfte der gesamten Stromerzeugung abdeckt, ist die Wärmewende in den muffigen, dunklen Heizkellern Deutschlands stecken geblieben. Das hat nicht zuletzt mit russischen Gas- und Ölimporten zu tun, die bis zum Kriegsbeginn im Februar 2022 so günstig waren, dass Energiewirtschaft, Hauseigentümer und letztlich die gesamte Immobilienwirtschaft weitestgehend untätig blieben. So wundert es nicht, dass die hehr formulierten Klimaschutzziele im Gebäudebereich seit Jahren mit aller Regelmäßigkeit nicht erreicht werden.

Eine Lücke und die Kosten

Zwischen Anspruch und Wirklichkeit klafft also eine enorme Lücke. Diese zu schließen, ist die pragmatische Absicht des neuen Gebäudeenergiegesetzes (GEG), das im September im Bundestag verabschiedet wurde. Die wichtigste Regelung der Novelle ist, dass Heizungen zukünftig mit 65 Prozent erneuerbaren Energien betrieben werden müssen. Das betrifft nur neu eingebaute Heizungen, denn grundsätzlich gilt: Bestandsheizungen dürfen weiter betrieben und auch repariert werden.

Aber: Wer bezahlt die Wärmetransformation? Zahlt am Ende der Mieter die Zeche dafür, dass die Immobilienwirtschaft sich lange im billigen Bezug von fossilen Energien sonnte? „Das Gebäudeenergiegesetz ist ein Meilenstein für den Klimaschutz und für den Schutz vor steigenden Heizkosten gleichermaßen“, beteuert der stellvertretende Fraktionsvorsitzende von Bündnis 90/Die Grünen im Bundestag, Andreas Audretsch. „Beim Heizen von Diktatoren wie Putin abhängig zu sein, kostet am Ende horrende Summen, das haben wir im vergangenen Winter schmerzlich erfahren und mit vielen Milliarden Euro Steuergeld bezahlt“, mahnt Audretsch. Er versichert: „Der Schutz von Menschen, die zur Miete wohnen, hatte bei den Verhandlungen höchste Priorität. Darum haben wir dafür gesorgt, dass auch Vermieter die Förderung von bis zu 50 Prozent in Anspruch nehmen. Die übrigen Kosten haben wir auf 50 Cent pro Quadratmeter gedeckelt. So machen wir möglich, dass die Heizungsmodernisierung ohne Extrakosten für die Mieterinnen und Mieter gelingen kann – nämlich warmmietenneutral.“

Was für ein Terminus! Klingt gut, allerdings teilen bei Weitem nicht alle Experten diese Euphorie. So wundert sich auch Sibylle Braungardt, Mitautorin der Studie „Großbaustelle Gebäude – lokal und sozial die Wärmewende entfachen“, die das Freiburger Öko-Institut im Auftrag des WWF erstellt hat, über die ungewöhnliche Unterbelichtung der sozialen Fragen im Zuge der Wärmewende. „Ich hätte mir mehr Mieterschutz gewünscht“, betont Braungardt frank und frei. Sie gibt ein Beispiel: „In der Kabinettsfassung des GEG war vorgesehen, dass die Kostenbeteiligung für Mie­te­r:in­nen begrenzt ist, wenn Heizungen eingebaut werden, die nur geringe Investitionskosten, aber hohe Betriebskosten haben – wie Wasserstoffkessel. Dass diese Regelung ersatzlos gestrichen wurde, senkt den Schutz für Mieter:innen.“

Jedoch können, räumt die Gebäudeenergie-Fachfrau ein, viele Aspekte der sozialen Gerechtigkeit nicht im ordnungsrechtlichen Rahmen des GEG behandelt werden, sondern beträfen vielmehr das Mietrecht, das bekanntlich in einem ganz anderen Ressort liegt. Wenngleich sie das GEG als einen wichtigen klimapolitischen Baustein betrachtet, bedauert sie, dass es der Ampelkoalition offenbar nicht gelungen sei, die großen Chancen, die der Ausstieg aus der fossilen Welt letztlich für alle Menschen bietet, positiver zu kommunizieren. Das kritisiert im Übrigen auch der Bundesverband Erneuerbare Energie (BEE).

„Allein die Tatsache, dass die CO2-Preise weiter steigen und dadurch der Einsatz von fossilen Energien – unabhängig von Despoten und Kriegen – stetig teurer wird, ist ein Bezug von Strom aus Wind, Solar und Biogas, Biomethan oder auch Holz aus nachhaltiger Waldwirtschaft absolut wünschenswert“, so BEE-Sprecherin Friederike Treuer. Doch der Verband sei bei stetig steigenden CO2-Preisen explizit dafür, die Umlagefähigkeit der Kosten auf Mie­te­r:in­nen stark einzuschränken: „So kann vermieden werden, dass hohe Heizkosten aufgrund eines schlechten Gebäudezustandes allein auf die Mie­te­r:in­nen abgewälzt werden.“