ATACMS in der Ukraine ein­ge­­setzt

USA haben heimlich Langstreckenraketen geliefert. Selenski zeigt sich zufrieden

Von Barbara Oertel

Die Ukraine hat im Kampf gegen die russischen Invasionstruppen offenbar erstmals US-Langstreckenraketen vom Typ ATACMS eingesetzt. Die ATACMS hätten sich bereits bewährt, sagte Präsident Wolodimir Selenski am Dienstag in seiner allabendlichen Videoansprache.

In der Nacht zu Dienstag hatten ukrainische Streitkräfte Flughäfen in der Nähe der von russischen Truppen besetzten ostukrainischen Städte Berdjansk und Luhansk angegriffen. Dabei sollen unter anderem mehrere russische Hubschrauber, Spezialtechnik sowie ein Munitionslager zerstört worden sein. Von offizieller russischer Seite war zu dem Beschuss nichts zu vernehmen. In einschlägigen russischen Telegram-Kanälen war jedoch von großen Verlusten die Rede. Dieser nächtliche Angriff sei einer der ernsthaftesten seit dem Beginn von Russlands Einmarsch in die Ukraine, hieß es. Kremlchef Wladimir Putin quittierte die Nachricht bei einer Pressekonferenz in China mit dem Satz, dass Russland natürlich in der Lage sei, derartige Angriffe abzuwehren. Die Überstellung derartiger Waffen an Kyjiw bezeichnete er als „Fehler“, dadurch werde die Agonie der Ukraine verlängert.

Kyjiw hatte sich bereits sei dem Sommer vergangenen Jahres um den Erhalt von ATACMS-Raketen bemüht. Washington war dieser Bitte jedoch bislang nicht nachgekommen – aus Furcht, Waffen dieses Typs könnten für Angriffe auf russisches Territorium verwendet werden. Laut der New York Times unter Verweis auf gut informierte nicht näher benannte Quellen sei auch das jetzt eine Bedingung für Washingtons Lieferung der ATACMS, die in den vergangenen Tagen stattgefunden haben soll, gewesen. Um wie viele Raketen es sich genau handelt, ist derzeit nicht bekannt.

Die ATACMS sollen es der Artillerie ermöglichen, feindlichen Nachschub hinter der Front zu unterbrechen. Sie haben, je nach Typ, eine Reichweite von bis zu 165 bzw. 300 Kilometern und können einen Sprengkopf mit Streumunition tragen. Die Konvention gegen Streumunition, die seit 2010 in Kraft ist, verbietet den Einsatz, die Herstellung und Weitergabe bestimmter Typen von konventioneller Streumunition. Weder die USA noch die Ukraine haben die Konvention unterzeichnet.

Inwieweit und ob die ATACMS das Kriegsgeschehen zugunsten Kyjiws entscheidend beeinflussen können, darüber gehen die Meinung auseinander. „Man kann nicht sagen, dass die Ukraine eine Art Wunderwaffe erworben hat, die den Verlauf des Krieges ändern kann“, heißt es in einem Beitrag des russischen Dienstes der BBC. Ein oder zwei Angriffe auf Flugziele würden an der Situation nichts ändern. Vielmehr brauche es ein konsequentes Angreifen von Zielen, die durch eine bestimmte gemeinsame Bedeutung verbunden seien.