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Nur eine Gegenstimme: Rundfunkrat billigt Ausgliederung der Radio Bremen-Produktion zur Bavaria, Deutschlands größtem Schleichwerber

Am Ende war nur noch die Gewerkschafterin dagegen: Bei einer Gegenstimme und vier Enthaltungen entschied jetzt der Rundfunkrat von Radio Bremen, die Hörfunk- und Fernsehproduktion auszugliedern – in eine gemeinsam mit der Bavaria zu gründende Gesellschaft, an der die Münchner 51 Prozent halten. Damit ist Radio Bremen die erste Medienanstalt, die komplett auf ihre Eigenproduktionsfähigkeit verzichtet.

„Ein medienpolitischer Dammbruch“, urteilt der RB-Personalratsvorsitzende Bernd Graul – die die Unabhängigkeit des Senders in Frage stelle. Intendant Heinz Glässgen hingegen sieht in der Zusammenarbeit eine „entscheidenden Beitrag zur Auslastung der bestehenden Kapazitäten“ sowie zur Schaffung zusätzlicher Arbeitsplätze.

Graul differenziert: Mit der Garantie des bisherigen Gehaltsniveaus und einer dynamischen Weiterentwicklung des Altersversorgung für die bis zu 150 Technik-KollegInnen habe man „das Maximale rausgeholt“. Aber: „Die wirtschaftliche Plausibilität“ der ganzen Planung leuchte nicht ein. Grauls Sorge: Wenn der Sender „draufzahlt“, verschärfe das den Stellen-Abbau.

Laut Radio Bremen wird die Bavaria Aufträge für jährlich fünf Millionen Euro nach Bremen bringen. Graul zufolge handelt es sich dabei möglicherweise aber nicht um eine juristisch belastbare Verpflichtung, sondern lediglich um eine Absichtserklärung. Bei ohnehin nicht üppigen 189.000 Euro Gewinnerwartung vor Steuern im Jahr 2010 rechne Glässgen gerade mal mit 39.000 für den Sender.

Die noch namenlose neue Bavaria/Radio Bremen-Tochter hat gut 30 Schwestern – die ihren Ruf zum Teil gerade gründlich ruiniert haben: In der von Tochter „Saxonia produzierten Ärzteserie „In aller Freundschaft“ wurden neun Fälle von bezahlter Pharmawerbung nachgewiesen, die Kultsoap „Marienhof“ wird seit zehn Jahren mit en bloc zu bestellenden Produkt-Placements gespickt – inklusive „Verbal Placements“, also ins Drehbuch eingebauten Lobeshymnen.

Erst jüngst hatte die EU-Kommission heftige Kritik an der „mangelnden Transparenz bei der Finanzierung“ des öffentlich-rechtlichen Rundfunks geübt. Angesichts der „Marienhof“-Machenschaften hatte auch Bremens CDU-Chef Bernd Neumann – in seiner Eigenschaft als CDU-Medienobmann im Bundestag – von „Skandal und großem Schaden“ gesprochen. Als Rundfunkratsmitglied stimmte er der Zusammenarbeit mit der Bavaria jetzt trotzdem zu.

Wie kann die inhaltliche Kontrolle gewährleistet werden? Der grüne Rundfunkratsvertreter Hermann Kuhn verweist darauf, dass sein Gremium „Beteiligungsberichte“ erhält – und nicht, wie ursprünglich vorgesehen, nur der Verwaltungsrat.

Einstimmig verordnete der Rundfunkrat der Anstalt eine Überprüfung sämtlicher Sendungen nach Schleichwerbung. Dabei könnte auch „Bremen4U“ ins Visier geraten. Das multimediale Gemeinschaftsprodukt von Radio Bremen, Weser-Kurier und Sparkasse wird täglich vor dem Nachrichtenmagazin „buten un binnen“ ausgestrahlt und beinhaltet nicht nur die angekündigten „Jugendevent-Informationen“, sondern dient auch der Kundenakquisition und als Werbeplattform. HB

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