herr tietz macht einen weiten einwurf
: Brüh im Glanze ihres Fettes

FRITZ TIETZ über die neue Münchner Protzarena, Weißwürste in roter Pelle und 3.000 nackte Ingenieure

FRITZ TIETZ ist 45 Jahre alt, lebt als Nachfahre ostpreußischer Einwanderer in der Nordheide und treibt gelegentlich Sport.

Echt Wahnsinn, dieses neue Münchner Fußballstadion! Stell dir vor, Leser: Das kann mal rot leuchten, mal blau und mal weiß; weiß der Teufel, wie die das machen. Außerdem gibt’s in diesem Stadion ca. 28.000 Snackstationen und ungefähr 3.000 Restaurants, wo sie, wenn die Bayern spielen, die typisch bayerischen Weißwürste in roter Pelle anbieten, während bei den Heimspielen der Münchner Löwen die Majo für die Pommes automatisch blau eingefärbt wird. Gastiert mal die Nationalelf in der Arena, wird eine original deutsche Brühwurst in schwarz-rot-gelbem Saitling gereicht und dazu passend Frau Connors Eröffnungshymne eingespielt: „Brüh im Glanze ihres Fettes …“

Das ist aber längst nicht alles, was das Megastadion an Highlights und Knüllern zu bieten hat: Rund 1.060 Logen beherbergt das Stadion, davon hat gut die Hälfte einen eigenen Hubschrauberlandeplatz samt Wellness-Bereich. Die Vario-Sitze in den Nichtraucherkurven nicht zu vergessen und die – was auch immer das sind – Business-Seats in den Behinderten-Lounges. Dann gibt’s da noch die fünf Kinder- und 16 Altentagesstätten, die 50 TV-Studios und die 540 Lottoannahmestellen. Und jetzt, Leser, halt dich fest. Denn jetzt sage ich dir, wie viele Toilettenbecken es insgesamt im Stadion gibt: 66.000. In Worten: sechsundsechzigtausend. Von den ungefähr 400 Umkleide-, 200 Trainer-, 100 Schiedsrichterkabinen sowie den beiden je 150 Quadratmeter großen Entmüdungsbecken für die Fahrer der Mannschaftsbusse ganz zu schweigen.

Und hab ich dir schon gesagt, Leser, dass die rund 5.200 Quadratmeter große Mixed-Zone eine Armleuchterstärke von 50.000 Wontorras hat? Und die Einkaufsmöglichkeiten im Stadion einer Gesamtleistung von 2.874 aufblasbaren Supermärkten entspricht? Dass die Werbebandenhöhe 42,50 Meter beträgt und die 1.000 Kilometer beheizbarer Rollrasen von 7.377 öltankergroßen, teils in Bayernrot, teils in Löwenblau lackierten Sattelschleppern herangekarrt und in nur drei Tagen von 3.000 Ingenieuren verlegt wurden, die, um den eigens gezüchteten Hochleistungsrasen nicht unnötig zu beanspruchen, diese Arbeit nackt erledigen mussten?

Ja, es war ein regelrechter Sturm der Superlative, der bei der Inbetriebnahme des offiziell Kaiser-Klo, scherzhaft Allianz Arena genannten Stadionneubaus zu München-Fröttmaning durch den Pressewald pfiff. Der Tenor in der Berichterstattung fiel dabei ebenso einhellig wie eindeutig aus: Fantastisch! Irre! Supersache! Derart inbrünstig wurden Dekor und Interieur dieser topmodernen Münchner Bonbonniere behudelt, dass man beinah davon angesteckt wurde und sich fast zu fragen vergaß, wieso, verdammt noch mal, bei Nachmittagsspielen nicht die Sonne über München ausgeknipst wird, damit die Stadion-Illuminierung auch tagsüber zur vollen Geltung kommt? Und wieso ist dieser Fußballplatz nicht auch noch gelb (für katholische Kirchentage) oder lila (für evangelische) zu beleuchten?

Sei’s drum. Die Begeisterung über den Strahleffekt des Stadions wird sowieso schnell nachlassen. In Bälde wird er kein besonderer Hingucker mehr sein. „Schon wieder nur rot“, werden die Leute mäkeln, oder: „Nur wieder bloß blau – wie langweilig!“ Dann werden sich die Stadioneigentümer schwarz ärgern ob ihrer planerischen Kurzsichtigkeit und ein paar abwechslungsreichere Farben nachrüsten müssen. Auch sonst dürften zusätzliche Umbauten notwendig werden. Denn schon nach den Eröffnungsfeierlichkeiten wurde Kritik laut. Die Golfer unter den Zuschauern bemängelten das Fehlen eines 18-Loch-Platzes im Logenrang. Auch eine stadioneigene Ikea-Filiale wurde angemahnt.

Und auch diese Frage drängt sich vehement auf: Wieso kann die Münchner Arena, die doch sonst alles kann, eigentlich nicht fliegen? Das wäre mal ein echt massenmedialer und alles andere so was von toppender Effekt, wenn das Stadion, etwa nach einem besonders entscheidend gewonnenen Match, kurz mal abheben und zur Feier des Spieltages eine Ehrenrunde über München drehen würde … – Wie bitte? Das kann die Arena längst? Na also. Geht doch.