Ein komischer Kosmos

„Per Anhalter durch die Galaxis“ war die Bibel aller Nerds. Heute kommt die Verfilmung von Douglas Adams’ komischem Klassiker in die Kinos. Und die Außenseiter von gestern regieren längst die Welt

VON ARNO FRANK

„I love deadlines, especially the whooshing sound they make as they go by.“ (Douglas Adams)

Damals, als der Begriff des „Nerds“ noch nicht importiert war, nannten wir sie wahrscheinlich „Streber“. Weil sie uns in Mathe manchmal abschreiben ließen und beim Sport häufig fehlten wegen Nasenblutens oder so, schlimme Sache. Während wir uns durch dumpfe Computerspiele daddelten, programmierten sie sich selbst welche. Uns verwandelte die wütende Pestilenz der Pubertät in sabbernde Primaten, ihnen schien sie höchstens ein paar Pickel auf die hobbykellerbleiche Stirn zu zaubern. Wir nahmen an Trinkritualen teil, sie an „Jugend forscht“. Unsereins grübelte nach dem Sinn des Lebens, sie kannten die Antwort: „42“. Sie wussten auch, dass man für Klassenfahrten höchstens ein Handtuch einpacken muss, und kicherten, kaum angekommen, ein „Babelfisch“ würde die Kommunikation erleichtern. Es waren eben ungesellige Gesellen, deren Witz sich auf Witze aus „Monty Python“-Filmen und dem Buch „Per Anhalter durch die Galaxis“ beschränkte.

Das Buch von Douglas Adams, erschienen 1979 und der Beginn einer ganzen Reihe, ist ein Amalgam aus Science, Fiction, Philosophie und Popkultur. Es liest sich amüsant, langweilt aber bald, wenn die Strickart der Scherze erst mal erkannt ist. Hier aber wird „Per Anhalter durch die Galaxis“ für die Nerds erst richtig interessant – als schier unerschöpflicher Steinbruch durchaus überraschender Pointen erlöst es den sozial Unbeholfenen vom Stress, in Gesellschaft selbst lustig sein zu müssen. Überdies kommt es den Gewohnheiten der Nerds (oder „Otaku“, wie sie in Japan genannt werden) entgegen, stellvertretend für den großen einen kleinen Weltausschnitt vollständig zu überschauen. Was auch immer ihnen im Leben begegnet, es wird gesammelt, inventarisiert und schließlich in einer eigentümlichen Ironie aufgelöst, die immer universell und milde, nie spezifisch oder ätzend daherkommt.

Mehr als ein Vierteljahrhundert liegt zwischen dem Erscheinen des Buchs und dem Kinostart des Film. Die Nerds haben in der Zwischenzeit studiert, Biologie, Chemie, gerne auch Informatik – und dabei Stück für Stück die Welt verändert. Und die Herablassung, mit der wir einst der eigenbrötlerischen intellektuellen Überlegenheit der Nerds begegneten, ist längst dem Respekt gewichen. Weil es ihnen gelungen ist, ihren „Anhalter“ gleich einer selbst erfüllenden Prophezeiung in die Wirklichkeit zu überführen.

Es waren Douglas-Adams-Nerds, die das meistgenutzte Internet-Programm zur Übersetzung fremder Sprachen schrieben – und es nach dem Übersetzerfischchen „Babelfish“ nannten, der in dem Buch die Verständigung mit Außerirdischen so problemlos macht.

Überhaupt ähnelt das Internet in toto verblüffend dem Konzept des „Reiseführers durch die Galaxis“ – ein Kompendium des Wissens, das sich, wie Wikipedia, dezentral aus unendlich vielen Quellen speist.

Die Welt elektronischer Medien aber ist nicht genug, der Einfluss des Trivialromans „Per Anhalter durch die Galaxis“ reicht bis in die Gefilde zeitgenössischer Kulturproduktion. Wie lässt sich die Hysterie eines in die Unendlichkeit geworfenen Individuums abfedern? Mit der stehenden Redewendung „Don’t Panic“, wie sie zuletzt von der Gruppe Coldplay als Songtitel adaptiert wurde. Die Band NOFX entlehnte ihren Albumtitel „So Long And Thanks For The Shoes“ dem „Anhalter“-Band „Macht’s gut und danke für den Fisch“ – es ist der Satz, mit dem sich die schlaueste Lebensform auf dem Planeten, die Delfine, von der Menschheit verabschieden. Und Agent Fox Mulder aus der TV-Serie „Akte X“ sitzt in Appartment Nummer 42.

Der Song „Paranoid Android“ von Radiohead ist inspiriert vom chronisch depressiven und pessimistischen Roboter Marvin, der darunter leidet, dass ihm seine enorme Intelligenz kein Gespräch auf Augenhöhe gestattet, mit niemandem, im ganzen Universum nicht. Besser als mit diesem deprimierenden Gleichnis lässt sich kaum auf den Punkt bringen, wie sich das angefühlt haben muss: ein Ausgegrenzter zu sein, damals, als der Begriff „Nerd“ noch nicht importiert war.