Jetzt ist es aus in der Disko

Erregung öffentlicher Erregung spielten – und eine wilde Mischung aller Altersgruppen hatte Bock auf eine neue Neue Deutsche Welle

von Ruth Lang Fuentes

Der kleine viereckige Raum im Cassiopeia riecht schon sehr verschwitzt, bevor Erregung öffentlicher Erregung überhaupt die Bühne betritt. Das Konzert ist ausverkauft. Noch stehen die Raucher draußen in der für Ende September etwas zu lauen Abendluft. Pünktlich stellt sich die Band an ihre Instrumenten. Frontsängerin Annette Humpe – sorry Anja Kasten – zunächst mit dem Rücken zum Publikum.

Als sie sich umdreht und „Haste nicht gedacht/ Und haste nicht gesehn/ Haste nicht verstanden/ Und kannste nicht verstehn/ Bei mir zuhause häng die Frauen an der Decke“ singt, ist der Raum voll. Eine wilde Mischung aller Altersgruppen von punkigen Hipstern und Studenten hat richtig Bock auf eine neue Neue Deutsche Welle und post Postpunk. Die bekommt sie von EÖE ganz sicher. Die Berlin-Hamburger Band, die auf Schweiz- und Deutschlandtour ist, tritt ausnahmsweise zu sechst auf. Und sehr klassisch: Gesang, zwei Gitarren, Bass, Drums, Keys.

Der Kleidungstil der Band ist eher Neunziger (man beachte das Lady-Di-T-Shirt des Gitarristen), der Musikstil so was von frühe Achtziger – irgendwas zwischen Ideal, Nina Hagen und Fehlfarben -, wie man ihnen gerne unterstellt, und der Inhalt so aktuell wie noch nie: „Es gibt kein richtig oder falsch/ Es gibt nur Toleranz oder Gewalt/ Wo soll ich hin?“, singt Anja wütend, die Stimme überschlägt sich beinahe. Leider geht diese fast unter im instrumentalen Zerr-Sound, der leider nicht richtig zulässt, dass man die Texte versteht. Etwas übersteuerter Ton zieht sich durch das Konzert. Doch Erregung öffentlicher Erregung rockt trotzdem und das Publikum hält das nicht davon ab, von Beginn an die Band zu feiern. In den vorderen Reihen kennt man die Liedtexte ohnehin und singt lauthals mit. Selbst die des neuen Albums „Speisekammer des Weltendes“, das erst Mitte August erschienen ist.

Auch dass auffallend wenig Interaktion vonseiten der Band kommt – die Künstler sprechen ihre Fans selten direkt an, es gibt kaum Show, stattdessen ein Lied nach dem anderen –, stört die Fans nicht. Es sind eher Sängerin und Musiker, die etwas schüchtern rüberkommen, fast so als wären sie nicht darauf vorbereitet gewesen, auf so viele begeisterte Anhänger zu treffen.

Diese zappeln da unten auf der Tanzfläche von Anfang an zur Musik. Und die Stimmung steigert sich stetig. Irgendwas zwischen banal und tiefgründig sind die Songs von Erregung öffentlicher Erregung – wenn man es schafft die Texte zwischen den Riffs herauszuhören. Tanzbar auf alle Fälle.

Irgendwann zwischen einem der Hits, zwischen „Kreuzen Kompetenzen“, „Wo soll ich hin?“ und „Kacke in der Jacke,“ passiert es dann doch: Pogo! Die Band lässt sich davon wenig beirren, macht weiter, hält das Tempo, schwitzt auf der Bühne mit.„Zugabe“ und „EÖE“ schreien die etwa 120 Leute direkt, als die Band dann von der Bühne geht. Es dauert nicht lange, da ist sie wieder, und die Sängerin sagt sogar was: „Ich bin ja der Meinung, man sollte immer dann aufhören, wenn es am schönsten ist. Manchmal aber auch nicht.“ Da schimmern der Humor und die Sprachspielereien, die man von EÖE wohl erwarten darf, doch kurz dezent auch live durch. Schon springen und schieben die Tanzwütigen aus den ersten Reihen einen durch den Raum, denn es heißt Endspurt: „Jetzt ist es aus in der Disko/ Es ist jetzt aus in der Diskothek/Es ist aus in der Disko/ Aus?/Aus!“ Nach 75 Minuten ist alles vorbei – draußen ist es immer noch 2023, und der Schweiß tropft von den Haarspitzen.