„Der soziale Gewinn ist wichtiger“
Mit Kleinstkrediten können Bedürftige gefördert werden, sagt Heidi Thiemann vom deutschen Oikocredit-Förderkreis. Heute findet dazu in Bonn eine Tagung statt
taz: Frau Thiemann, Oikocredit ist seit fast 30 Jahren aktiv für Mikrofinanzierung. Worum geht es Ihrer Genossenschaft?
Heidi Thiemann: Wir wollen Menschen gewinnen, für die der soziale Gewinn wichtiger ist als der finanzielle Ertrag.
Wer beurteilt die Kreditanträge? Gibt es bei Oikocredit Kontrollorgane?
Die Regionalbüros, die mit einheimischen Fachleuten besetzt sind, prüfen als erstes, ob die eingegangenen Projektanträge wirtschaftlich tragfähig und umweltfreundlich sind, ob die Antragsteller genossenschaftlich organisiert sind, ob sie von oder für Frauen konzipiert worden sind und sich auf die gesamte Gesellschaft positiv auswirken.
Dies sind Entscheidungskriterien, die von der Vollversammlung festgelegt worden sind. Wenn die Projektmanager einen Antrag für unterstützungswürdig halten, leiten sie ihn an die Zentrale in Holland weiter. Letztendlich fungiert die Vollversammlung als Kontrollorgan.
Warum ist Oikocredit nicht in arabischen Ländern aktiv?
Zunächst, weil wir nicht überall sein können. Zweitens haben wir einen ökumenischen Hintergrund. Vor 30 Jahren haben einige engagierte Kirchenmitglieder in einer Vollversammlung des Ökumenischen Rates der Kirchen in Uppsala/Schweden die Finanzpolitik der Kirchen unter die Lupe genommen und gefordert, dass eine Anlagemöglichkeit geschaffen werde, die ein menschenwürdiges Leben für alle Bedürftigen fördert. Dabei ist interessant, dass die Kirchen sich in den ersten Jahrzehnten eher zurückgehalten haben.
Aus welchem Grund?
Weil sie davon ausgegangen sind, dass arme Menschen keine verlässlichen Geschäftspartner sein können. Auf jeden Fall haben wir zwar keine Vorbehalte gegen die Religionszugehörigkeit unserer Partner, aber aufgrund unserer christlichen Vorgeschichte haben wir natürlich in arabischen Ländern mehr mit den christlichen Organisationen zu tun. Trotzdem sind wir im Moment dabei, zu prüfen, inwieweit wir uns bezüglich der Mikrofinanz in absehbarer Zeit in Jordanien und Marokko engagieren sollen.
INTERVIEW: FAHIMEH FARSAIE
