Dokus über Österreichs Ex-Kanzler: Sebastian Kurz im Kino – zweimal
Gleich zwei Filme über Österreichs Ex-Kanzler kommen ins Kino. Die Landesmedien sind fasziniert, obwohl beide nur Bekanntes zusammenfassen.
Gleich zwei Dokumentarfilme rund um Person und System Kurz laufen binnen weniger Tage an. Sie bekommen enorme Aufmerksamkeit in den österreichischen Medien, die immer noch merkwürdig fasziniert vom 37-jährigen Altkanzler sind. Und das, obwohl beide Filme nur sattsam Bekanntes einmal mehr zusammenfassen. Investigatives oder Neues bieten beide Titel nicht.
„Projekt Ballhausplatz“ heißt der Film des renommierten österreichischen Dokumentarfilmers Kurt Langbein, in Anspielung auf Kurz' gleichnamiges Geheimpapier zur Machtübernahme in ÖVP und Republik. Er ist eine kritische Abhandlung, in der ausschließlich Kurz-Kritiker zu Wort kommen. Ausführlich behandelt werden Machtgier, fremdenfeindlicher Populismus, die hochproblematische „Message Control“ und die durch Chatnachrichten bekanntgewordene Freunderl-Wirtschaft im engsten Kreis um Kurz. Der Film ist an keiner Stelle investigativ und will dies auch gar nicht sein.
Fast spannender ist „Kurz – der Film“, der bis kurz vorm Kinostart geheimgehalten wurde. Bekannt wurde der Film, als Anfang September ein riesiges Werbeposter auf einem Wiener Hochhaus auftauchte. Es zeigte Sebastian Kurz mit Pokerface in einem angedeuteten Hinterzimmer, darüber in großen Lettern „KURZ“. Der gleichnamige Film erschien zwei Wochen vor dem Konkurrenzstreifen. Viele vermuten die Absicht, diesen damit „abzustechen“, und sei es auch nur aus Gründen der Aufmerksamkeitsökonomie.
Zur Premiere von „Kurz“ erscheint Kurz selbst
Die Marketingstrategie ging jedenfalls auf, über Twitter machte der Film schnell die Runde. Deutlich reißerischer in der Aufmachung – dramatische Musik, schnelle Schnitte – handelt es sich bei „Kurz“ nicht um den reinen Jubelstreifen, als der er vorab abqualifiziert wurde. Zwar dominieren frühere Werbevideos, Archivaufnahmen und wohlwollende Rückschau des innersten Kreises wie auch von Kurz selbst. Auch Kurz' Angriffe auf die Justiz und seine Medienpolitik mit Zuckerbrot und Peitsche werden bloß gestreift. Es kommen aber auch vehemente Kritiker deutlich zu Wort, wenngleich wesentlich spärlicher dosiert.
Regisseur Sascha Köllnreiter verweist auf dramaturgische Gründe, die für das Ungleichgewicht zwischen affirmativen und kritischen Stimmen verantwortlich seien. Jegliche Nähe zur Kurz oder zur ÖVP stellt er glaubhaft in Abrede, ebenso eine Finanzierung durch Kurz, die ÖVP oder deren Umfeld. Für die zeichne allein die deutsche „Opus-R“ verantwortlich, die zuletzt Filme über die Bands Scooter und die Toten Hosen finanziert hat. Die Kosten für „Kurz“ hätten bei „unter 500.000 Euro“ gelegen – und damit knapp niedriger als beim von Stadt, Land und ORF geförderten „Projekt Ballhausplatz“.
Skurril: Zur „Kurz“-Filmpremiere vergangene Woche erschien neben vier aktiven ÖVP-Ministern auch Kurz selbst. Auch einige seiner früheren engsten Mitarbeiter liefen am Roten Teppich in der Wiener Innenstadt auf. Dieses „türkise Klassentreffen“ heizte die Gerüchteküche um ein Comeback neuerlich an. Zwar betont er bei jeder Gelegenheit, dass er genug von der Politik habe. Nicht wenige in seinem Umfeld bezweifeln das aber, Kurz sei ein political animal und wolle zurück.
Eine Vorentscheidung wird das Gerichtsverfahren sein, dem sich Kurz Mitte Oktober stellen muss. Vorgeworfen wird ihm Falschaussage vor dem parlamentarischen Ibiza-Untersuchungsausschuss. Auch in anderen Angelegenheiten wird gegen ihn ermittelt, etwa hinsichtlich dubioser Inseratengeschäfte und Meinungsumfragen. Das Besucherinteresse an „Kurz“ ist bislang überschaubar, von überwiegend leeren Kinosälen am Eröffnungswochenende wird berichtet. Wesentlich anders dürfte das auch bei „Projekt Ballhausplatz“ nicht sein, der diese Woche anläuft. Zu frisch ist noch die Erinnerung an eine Zeit, die selbst in der ÖVP viele lieber vergessen würden.
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