Dritte-Welt-Laden
: 30 faire Jahre

In den Gebäuden der Gedächtniskirche am Zoo kann man Geschichte besichtigen, gedenken, einfach nur rumhängen – oder auch fair einkaufen. Denn der „Dritte-Welt-Laden“, einer der bekanntesten der Hauptstadt, nennt diesen unkonventionellen Standort sein Eigen. Verirrte Touristen staunen nicht schlecht, wenn sie statt in der jüngeren deutschen Geschichte in einem Entwicklungsland landen. Mit der Zeit sind sie fester Teil der Kundschaft geworden.

Im Laden stehen afrikanische Holzpuppen neben tibetanischen Klangschüsseln. Auch Lebensmittel sind natürlich im Angebot. An diesem Samstag begeht der Laden seinen 30. Geburtstag. Der Festtag beginnt um 10 Uhr im Friedenszentrum Martin-Niemöller-Haus in der Pacelli-Allee 61 in Dahlem mit einem Gottesdienst.

Das Haus im Villenviertel ist auch der Sitz der „Dritte-Welt-Laden“ GmbH und der Arbeitsplatz der Geschäftsführerin Renate Neumann. 1978 stieß die gelernte Betriebswirtin zum Laden. Seitdem hat sie viel verändert. So sitzen heute sieben Gesellschafter und nur noch ein Pfarrer im Vorstand, 1975 waren es noch acht Geistliche und zwei Hausfrauen. Neumann hat die Handelsbeziehungen vertieft, auch schon mal Waren wegen schlechter Qualität abgelehnt und sie nur noch teilweise vorfinanziert. Anstatt nur ehrenamtliche Mitarbeiter einzusetzen, schuf sie bezahlte Stellen. In einem Satz: sie hat ihre Produzenten wie normale Handelspartner behandelt und nicht wie arme Schlucker, denen man aus Mitleid etwas abkauft. Profit hat der Laden bis jetzt nicht abgeworfen: Gelegentliche Gewinne werden gespendet.

Der Laden in der Gedächtniskirche bezieht vor allem von Produzenten, die für große Organisationen wie die Handelsgesellschaft Gepa zu klein sind. Projekte einzelner Entwicklungshelfer werden gefördert, für viele von ihnen ist es der erste Kontakt mit dem Welthandel. So muss Renate Neumann auch Risiken eingehen können, dafür hat sie meist exklusive Waren im Angebot. Die Arbeit mit Produzenten aus Armutsländern ist nicht immer einfach. „Man muss die Leute ja auch erziehen“, sagt die Geschäftsführerin und führt Beispiele an von schief gelaufenen Geschäften: Alpaca-Pullover ohne Armlöcher, schlechte Kaffeebohnen oder Missverständnisse bei der Bestellung. An der Arbeit im fairen Handel haftet immer noch ein Hauch von Abenteuer.

Auch an den Kunden von fair produzierten Produkten sind die Jahre nicht spurlos vorbeigezogen. Für sie geht inzwischen Qualität vor Ideologie – gute Ware vor gutem Gewissen. So kommt auch der faire Kaffee in das Supermarktregal und der Alpaca-Pullover in den Quellekatalog. Für kleinere Geschäfte wie den „Dritte-Welt-Laden“ ändert sich dadurch wenig: Sie sehen sich nicht dem Zwang zu mehr Wachstum verpflichtet, im Gegenteil: Die Zukunft der Weltläden findet laut Renate Neumann am besten gar nicht statt: „Unser Ziel ist es, überflüssig zu werden – dann, wenn jeder fair für seine Arbeit bezahlt wird – aber das kann noch lange dauern.“ Luc Caregari