Mit der Partei wieder im Reinen

Kai Wegner wird als CDU-Landesvorsitzender wieder­gewählt. Ottilie Klein neue Generalsekretärin

Von Stefan Alberti

September 2021: Ein gewisser Kai Wegner, seit zwei Jahren Berliner CDU-Chef, steht vor den Scherben seines Anlaufs zum Roten Rathaus. Gerade mal 18 Prozent bei der Abgeordnetenhauswahl, nur Platz drei hinter SPD und Grünen, keine Chance auf ein Mitregieren mit der eigentlich nicht abgeneigten SPD-Chefin Franziska Giffey. Es dauert nicht lange, bis Fragen aufkommen, ob Wegner als Spitzenkandidat nicht ein Fehlgriff war. Bundesweit wird er wenig wahrgenommen, zu klein ist der Berliner CDU-Landesverband

September 2023: Ebendieser Kai Wegner ist Nutznießer der Wahlwiederholung geworden, bringt seine Partei auf über 28 Prozent und erstmals seit 22 Jahren wieder ins Rote Rathaus. Er ist bundesweit inzwischen nicht bloß CDU-intern eine gewichtige Stimme in der Debatte, ob Friedrich Merz der richtige Kanzlerkandidat ist. Und seit diesem Samstag ist er auch mit noch mit einem Rekordergebnis von über 94 Prozent als Parteivorsitzender wiedergewählt.

Das tatsächliche Ergebnis von fast 95 Prozent, deutlich mehr als jene 87,8 die er beim CDU-Parteitag 2021 bekam, zeigt: Die Monate seit April haben gewisse Wunden geheilt. Man mag den aktuell in der Debatte um Bundeschef Merz so präsenten Wegner nicht beschädigen, der auf die Brandmauer zur AfD pocht und kurz vor dem Parteitag Kreuzberg gegen Schlechtreden von außen verteidigt.

Verschmerzbares Ergebnis

Dass Ottilie Klein, 39-jährige Bundestagsabgeordnete und bislang Mitgliederbeauftragte der Berliner CDU, mit 72,6 Prozent, ein weit schlechteres Ergebnis erhält, ist für Wegner verschmerzbar. Zum Stellenprofil eines Generalsekretärs und einer Generalsekretärin – Klein ist im Landesverband die zweite Frau in diesem Amt – gehört es schließlich auch, Kritik einzustecken, die eigentlich dem Chef gilt. Ein Blick zurück zeigt zudem: Ihr am Samstag verabschiedeter und gefeierter Vorgänger Stefan Evers, seit Ende April Finanzsenator, kam 2016 mit weit geringerer, nämlich der kleinstmöglichen Mehrheit ins Amt.

Wegner hatte schon vor eineinhalb Wochen erklärt, warum er sich für Klein entschieden habe: Er wolle weiter jüngere Frauen in der Partei fördern, es müsse eine Vertrauensverhältnis da sein und zudem sei Klein im Bundestag eine engagierte Sozialpolitikerin. Und tatsächlich ist inhaltlich das Überraschendste in seiner Rede, wie stark Wegner neben all den Sticheleien zum Themen Radverkehr und Görlitzer Park selbst den Sozialpolitiker gibt. Er zollt zwar den nötigen Tribut an die konservative Seele der Partei: Von Radfahrern, die Autofahrer terrorisieren würden, spricht er etwa. Weit weniger erwartbar war, dass er der inneren Sicherheit die soziale Sicherheit gleichstellt und dabei einen sozialdemokratischen Kernbegriff benutzt, nämlich Gerechtigkeit. „Wenn immer mehr Menschen zur Tafel gehen müssen, dann ist die soziale Gerechtigkeit nicht mehr gewährleistet, dann müssen wir uns kümmern“, sagt er. Und erinnert dazu an das „C“ im Parteikürzel, das für das Christliche steht.

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