Erdogan in den USA auf Konsenssuche

Bei seinem Treffen mit George W. Bush wirbt der türkische Premier für eine Verbesserung der bilateralen Beziehungen

ISTANBUL taz ■ „Die Türkei ist und bleibt unserer strategischer Partner. Wir beglückwünschen Ministerpräsident Erdogan zu seiner Führungsstärke und unterstützen die Türkei als demokratisches Vorbild für seine Nachbarn.“ Routiniert spulte der US-Präsident George W. Bush nach seinem Treffen mit dem türkischen Premier am Mittwoch in Washington seinen Text vor den Kameras ab. Zwei Minuten genügten, um alle Stichworte unterzubringen, auf die die türkische Regierung gehofft hatte.

Über ein halbes Jahr hatte Tayyip Erdogan in Washington antichambrieren müssen, um seinen Termin bei George Bush zu bekommen. Seit das türkische Parlament im März 2003 seine Zustimmung zu dem US-Einmarsch im Nordirak über türkisches Territorium verweigerte, war die Begeisterung der Bush-Leute für die „demokratischen Islamisten“ in Ankara stark abgekühlt. Die konservativen Think-Tanks schrieben Ankara für die geopolitischen Interessen der USA ab. In der Türkei wurde die Empörung über die US-Kriegsführung im Irak immer größer.

Doch die konservative türkische Regierung glaubt, sich einen Bruch mit Washington weder ökonomisch noch politisch leisten zu können, und ist bemüht, die Spannungen abzubauen. Erdogan reiste zu Scharon nach Jerusalem, unterschrieb einen Vertrag für den Kauf von US-Militärhubschraubern und erklärte, die Türkei unterstütze die US-Initiative zur Demokratisierung des Nahen Ostens.

Doch Bush ließ ihn zappeln. Noch bei der Ankunft Erdogans am Dienstag habe sich kein US-Offizieller zu seinem Empfang eingefunden, berichteten türkische TV-Kanäle. Am Mittwoch konnte man darauf hinweisen, dass das Treffen eine Stunde statt wie geplant 30 Minuten gedauert hatte.

Ob das reicht, um die türkisch-amerikanischen Beziehungen wieder zu einer privilegierten Partnerschaft zu machen, ist für die meisten Kommentatoren in Istanbul fraglich. „Was heißt strategische Partnerschaft, wenn man sich in fast allen strategischen Fragen uneins ist“, fragte der diplomatische Korrespondent Semih Idiz. Weder im Irak noch in der Politik gegenüber Syrien oder dem Iran ist man sich einig. Neue militärische Interventionen in der Region sind ein Albtraum für die Türkei.

Doch im Moment, auch angesichts der Turbulenzen in der EU, sucht Erdogan Konsens. Man will sein Engagement in Afghanistan ausbauen und freut sich, dass die USA, anders als die EU, eher bereit scheinen, die Isolation Nordzyperns zu beenden und Direktflüge in Erwägung ziehen.

Von der massiven Kritik am US-Militär im Irak wollte Erdogan in Washington nichts mehr wissen. Antiamerikanisch sei vor allem die Opposition, im Übrigen habe Bush darüber gar nicht geredet. Das tat der US-Finanzguru George Soros am selben Tag in Istanbul. Angesichts der Politik der derzeitigen US-Administration sei Antiamerikanismus, so Soros, weltweit so verbreitet, dass die Türkei keine Ausnahme sei. Statt auf Bush solle die Türkei lieber weiter auf die EU setzen. JÜRGEN GOTTSCHLICH