Auf der Suche nach der richtigen Haltung

Borussia Dortmund wirkt beim 0:2 in der Champions League in Paris überfordert. Dem Team fehlt einmal mehr das nötige Engagement

Aus Paris Daniel Theweleit

Wie so oft in diesen Tagen wurde es auch rund um die Champions-League-Reise von Borussia Dortmund nach Paris grundsätzlich, was die großen Fragen des deutschen Fußballs betrifft. Zur Bundestrainerangelegenheit um Julian Nagelsmann mochte sich Hans-Joachim Watzke, der Geschäftsführer des BVB, der auch erster Vize-Präsident des Deutschen Fußball-Bundes ist, nicht äußern, bevor „die Gremien“ eine finale Entscheidung getroffen haben. Aber was die fußballerischen Themen betrifft, führte die 0:2-Niederlage der Dortmunder bei Paris Saint Germain zu ein paar interessanten Überlegungen, die weit über den Revierklub hinausreichen.

Matthias Sammer, der ja nicht nur TV-Experte ist, sondern auch Berater der BVB-Geschäftsführung, wurde bereits in der Halbzeit deutlich: Als es noch 0:0 stand, monierte er, dass einige Spieler, die Grundlagenarbeit nicht entschlossen genug verrichten. „Du kannst ja letztendlich auch Fehlabspiele machen, weil es ist ja auch nicht so einfach“, sagte er. Aber „da vorne die beiden“ – gemeint waren Karim Adeyemi und Donyell Malen –, die würden sich nach Ballverlusten sagen: „Ich muss erst mal eine Minute in mich gehen und überlegen was das bedeutet. Das sind einfach schlechte Signale.“ Damit hatte er ein Kernproblem angesprochen, beim BVB an diesem Abend und ganz grundsätzlich bei vielen Vereinen.

Der Freiburger Trainer Christian Streich spricht seit Jahren immer wieder davon, dass seine Mannschaft „alles abarbeiten“ müsse, um überhaupt eine Chance auf eine ordentliche Leistung in der Bundesliga zu haben. In Dortmund fehlt diese Qualität. Welche Folgen das in einem Spiel gegen eine fußballerisch so starke Mannschaft wie Paris hat, ließ sich gut den Schilderungen von Edin Terzic entnehmen. Das Problem sind nämlich nicht nur Lücken, die dadurch im Defensivverbund entstehen.

Seine Mannschaft habe „zu wenig Mut gezeigt“, sagte Terzic, und dahinter steckte offenbar weniger die Angst vor der Übermacht eines Gegners, der sein Team im Sommer mit Investitionen von rund 350 Millionen Euro verstärkt hat. Vielmehr liege die Ursache der Mutlosigkeit in einem Misstrauen innerhalb des eigenen Teams. Seine Spieler hätten sich rund eine Stunde lang viel zu passiv verhalten, weil sie sich nicht trauen, aus ihrer Position „herauszuspringen“, um den Gegner unter Druck zu setzen. Sie könnten sich nicht darauf verlassen, „dass da jemand ist, der für mich absichert, der den Weg für mich macht“. Und die einfachen defensiven Wege laufen die Dortmunder auch nicht verlässlich zu Ende, so wie der für den verletzt ausgeschiedenen Marcel Sabitzer ins Spiel gekommene Felix Nmecha vor Achraf Hakimis 2:0 (58.). Ein paar schnelle Schritte hätten genügt, um den Doppelpass zu verhindern, mit dem der Marokkaner freigespielt wurde. Nmecha blieb einfach stehen.

Aber die fehlende Bereitschaft, nötige Laufarbeiten zu erledigen, war nur ein Teil des Problems. Der BVB spielte mit einer Fünferkette, mit einem System, das Terzic in seiner Zeit als Dortmunder Trainer nur in seltenen Einzelfällen gewählt hat. In einigen Situationen funktionierte das ganz gut, PSG hatte bis zum durch einen zweifelhaften Elfmeterpfiff begünstigten 1:0 durch Kylian Mbappé (49.) kaum große Torchancen. Aber die ungewohnte Raumaufteilung könnte einer der Gründe dafür sein, dass die Dortmunder seltsam orientierungslos im Konterspiel agierten.

Hätten Adeyemi, Brandt, Malen oder Can drei, vier der vielversprechenden Umschaltmomente zu Torchancen zu Ende gespielt, hätte dieses Spiel einen völlig anderen Gesamteindruck hinterlassen. „Wir hatten immer wieder Möglichkeiten, in die Tiefe zu spielen, unsere schnellen Stürmer in Szene zu setzen. Da waren wir sehr unsauber und nicht klar genug“, sagte Sportdirektor Sebastian Kehl.

Insgesamt bleibt damit nach vier mäßigen Bundesligaspielen und dieser ersten Europapokalpartie das Bild einer Mannschaft, die noch nicht richtig funktioniert, die noch nach der richtigen Haltung für die neue Saison sucht. Und die Verantwortlichen wollen entweder nicht über die Ursachen hinter den Problemen sprechen oder sie kennen sie nicht. Fragen nach den Hintergründen beantworten Kehl und Terzic jedenfalls stets mit Beschreibungen des Phänomens. Selbstkritisch sind sie schon, aber einer Lösung ihrer Probleme sind die Dortmunder auch an diesem Abend von Paris nicht nähergekommen.