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das wird„Das Spektrum der Emotionen wird eine Zeit lang eingefroren“

Oxana Matiychuk berichtet zum Auftakt des Osnabrücker Exil-Symposiums über ihre Arbeit mit Binnenflüchtlingen in der Ukraine

Interview Lena Pinto

taz: Frau Matiychuk, was war in Ihrer humanitären Arbeit das emotionalste Erlebnis?

Oxana Matiychuk: Mit Sicherheit die Begegnung mit zwei Frauen, Mutter und Tochter, die auf Umwegen in die ukrainische Stadt Czernowitz gekommen sind. Die Tochter ist 19 und in Jalta auf der Krim aufgewachsen. Sie konnte die Krim davor nicht verlassen, weil ihr Vater die nötige Genehmigung nicht erteilt hat.

Warum hat Sie genau diese Begegnung so bewegt?

Ich hatte den Eindruck, dass diese junge Frau ein seltenes Bewusstsein für ihr Land hat – und dafür, dass sie nicht in einem besetzten Gebiet leben möchte. Sie spricht jetzt nur noch Ukrainisch, obwohl es ihr schwer fällt, weil ihre Muttersprache Russisch ist. Diese Haltung, zu wissen, wo sie hingehört, diese Klarheit der Auswahl der bürgerlichen, politischen und auch beruflichen Lebensrealität hat mich nachhaltig beeindruckt.

Wie haben Sie sich kennengelernt?

Durch Zufall hatte eine Freundin von mir, eine andere Binnengeflüchtete, sie auf der Straße gesehen und gefragt, was los ist. So kamen wir in Kontakt. Wir haben noch eine alte Stadtwohnung. Ich habe Mutter und Tochter zunächst provisorisch dort untergebracht, und dann haben sie gesagt, sie wollen gern weiter da wohnen. Wir sind über diesen Kontakt wirklich Freundinnen geworden.

Welche Rolle spielen Emotionen bei Flucht und Exil?

Oxana Matiychuk Literaturwissenschaftlerin, in Kyiv mit einer Dissertation über Rose Ausländers Lyrik promoviert, ist Dozentin an der Universität Tscherniwizi/Czernowitz (Ukraine).

Menschen, die zur Flucht gezwungen sind, befinden sich in extremen Situationen. Das Spektrum der Emotionen wird eine Zeitlang eingefroren. Wenn man ständig Nachrichten, die man nicht für möglich gehalten hatte, vernimmt, ist das eine normale Reaktion der Psyche. Man kann nicht über jeden Toten weinen. ­Man stumpft ab.

Spielt das bei Ihrem Netzwerk, mit dem Sie Geflüchteten helfen, eine Rolle?

Empathie ist die Grundlage, auf welcher mein Team und ich seit eineinhalb Jahren zusammenarbeiten. Seit dem ersten Tag, versuchen wir etwas zu unternehmen. Entstanden ist das aus unserer Verpflichtung durch unsere Auslandskontakte. Wir können etwas bewegen.

Sie und Ihre Kol­le­g*in­nen haben durch Ihre Arbeit an der Uni viele Kontakte ins Ausland …

Ja, also ich bin im Bereich des akademischen, internationalen Austausches, im Kulturmanagement tätig. Ich befinde mich seit zehn Jahren in diesem deutsch-ukrainischen, kulturellen und akademischen Netzwerk. Das haben wir genutzt, um humanitäre Hilfe zu aktivieren. Es hat sich als sehr tragfähig erwiesen.

Podiumsgespräch und Konzert: „Pendelbewegungen: Flucht, Engagement und Resilienz angesichts des russischen Kriegs gegen die Ukraine: 21. 9., 18 Uhr, Uni Osnabrück, Schloss-Aula. Die Veranstaltung bildet den Auftakt zur Tagung „Exil und Frieden“, bis 23. 9.

Was sind die Herausforderungen bei Binnengeflüchteten?

Wir haben in einem Wohnheim der Uni etwa 300 Binnengeflüchtete. Sie sind mit dem, was sie gerade anhaben, und im besseren Fall ihre Unterlagen geflüchtet. Nicht alle können es sich leisten, in einer fremden Stadt, in einer anderen Region der Ukraine etwas zu mieten und landen in einer Massenunterkunft. Viele können ihre Berufe nicht weiter ausüben und sind auf die staatliche Unterstützung angewiesen. Dann gibt es auch keine Krankenversicherung – das sind finanzielle Herausforderungen denen nicht alle gewachsen sind. Hilfsorganisationen oder wir als Uni reichen nicht aus.

Sondern?

Da braucht man Durchsetzungsvermögen und starke Nerven, damit man nicht zusammenbricht, oder sich aus dem Fenster stürzt. Geflüchtete im Ausland haben ganz andere Probleme, vielleicht weniger finanzieller als psychologischer Art. Die interkulturelle Erfahrung – Kinder, die plötzlich ihre Schule nicht mehr besuchen können oder nur noch online Unterricht haben – ist schwer zu bewältigen.

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