berliner szenen
: Stachel und zuckende Giftblase

Jener Dienstag sollte der letzte sehr heiße Tag in diesem Jahr werden, also stieg ich auf mein Fahrrad und traf mich mit einer Freundin in einem Café am Landwehrkanal. Kaum war ich angekommen, sah ich sie schon: ungezählte aufgebrachte Wespen und Bienen, die zu dieser Zeit besonders wild geworden sind, weil sie – zumindest die Wespen – Zucker zum Überleben benötigen. Und hier, in diesem Café am Kanal, gab es reichlich davon: Limonaden, frisch gepresste Fruchtsäfte, Kuchen an den Nebentischen. Aus Angst vor zu viel Wespennähe entschied ich mich für ein stilles Wasser.

Irgendwann ging meine Freundin in das Café und kam mit zwei Kaktuseis zurück. Ich bedankte mich, ahnte gleichzeitig das Schlimmste. Und tatsächlich: Innerhalb kürzester Zeit hatten Wespen und Bienen den Braten gerochen. Ungefähr 20 von ihnen umschwirrten uns. Ich liebe das Kaktuseis, besonders die knallgrüne Spitze mit den Knistersplittern und den getrockneten Erdbeerstückchen. Aber mir fiel es schwer, mich auf den Genuss zu konzentrieren. Da es sehr heiß war, tropfte recht viel vom Wassereis auf meine Finger. Ich überlegte noch, sie mit meinem letzten Schluck Wasser von ihrer Klebrigkeit zu befreien, aber entschied dann, das Wasser lieber zu trinken. Als ich aufgestanden war und meine Freundin verabschieden wollte, schrie ich plötzlich auf.

Mein linker Zeigefinger brannte höllisch. Siehe da: ein Stachel samt zuckender Giftblase steckte darin. Während ich den Stachel herauszog, holte meine Freundin einen Eiswürfel vom Café. Heute, fast 24 Stunden nach dem Bienenstich, ist mein Finger immer noch dick geschwollen. Das Tippen fällt mir schwer, da ich mit den anderen Fingern meiner linken Hand eine halbe Zwiebel auf den gestochenen Zeigefinger drücke. Von mir aus kann dieser Sommer enden. Eva Müller-Foell