Grüne suchen den rechten Weg nach links

Die Grünen brauchen ein Wahlprogramm. Aber die linken Gruppierungen können sich nicht auf ein Konzept einigen

BERLIN taz ■ Es geht ein Gespenst um bei den Grünen: der Münsteraner Appell. Der Vorstandssprecher des grünen Kreisverbandes Münster fordert die politische Neupositionierung der Partei. Die Grünen sollen „linker“ werden als bisher. Es gilt das Wahlprogramm vorzubereiten, die Positionen werden nun abgesteckt.

Die Forderung nach „mehr links“ kommt bei der Basis an. Am Dienstag hatten schon 140 Leute das Papier unterschrieben – nach nur zwei Tagen. Zu einem weiteren Update ist in Münster bislang niemand gekommen. Es ist eine Minderheit zwar in der Partei, aber eine engagierte. Auch der selbst ernannte grüne Erneuerer Marek Dutschke sagte der taz: „Ich ziehe es stark in Erwägung, den Appell zu unterschreiben.“

Auch aus Schleswig-Holstein und Berlin kommen linke Impulse. Um Einfluss kämpft daneben die Gruppe „Links Neu“ um den Fraktionsvorsitzenden der Grünen im hessischen Landtag, Tarek al-Wazir, und dem Hessen im Bundesvorstand, Omid Nouripour. Die Gruppe muss sich gegen den Vorwurf wehren, nicht wirklich links zu sein. Was Linkssein bedeutet, darüber sind die Gruppen sich nicht einig.

Das Papier aus Münster warnt vor einem „Weiter so!“ mit der SPD. Hartz IV gefährde langfristig die Demokratie und müsse dringend im Sinne der sozialen Gerechtigkeit reformiert werden. Die Bürgerversicherung müsse zum Ziel der Partei erklärt werden, ein staatliches Beschäftigungsprogramm sei notwendig. „Bisher gab bei jeder Diskussion die Regierungsräson den Ausschlag. Da der Deckel jetzt weg ist, können wir viel freier diskutieren“, sagt der Münsteraner Initiator Wilhelm Achelpöhler. Er erwartet, dass einiges aus seinem Papier im Wahlprogramm der Grünen umgesetzt wird. „Vieles ist ja theoretisch schon Parteilinie. Man muss das aber wieder stärker betonen.“ Mit der Galionsfigur der grünen Linken im Bundestag, Christian Ströbele, stehe er in Kontakt, um die Positionen abzugleichen.

Die schleswig-holsteinischen Grünen haben den Machtverlust, der auf Bundesebene droht, schon durchgemacht. Daraus haben sie ihre Schlüsse gezogen: sie haben im Mai auf ihrem Landesparteitag beschlossen, die bisherige Arbeitsmarkt- und Sozialpolitik der Bundesregierung nicht weiter zu unterstützen. Entsprechend teile der schleswig-holsteinische Landesverband zwar die Analysen des Papiers aus Münster, schlage aber andere Lösungen vor, sagt der Landesvorstandsprecher der Grünen in Schleswig-Holstein, Robert Hakenbeck. „Es reicht nicht, dass man Hartz IV nachbessert. Man muss viel grundsätzlichere Dinge andenken.“ Die Schleswig-Holsteiner favorisieren ein skandinavisches Modell: Lohnnebenkosten runter, dafür die Mehrwertsteuer hoch. Diese Position ist nicht weit weg von der Union – für die Münsteraner ist die CDU aber ein indiskutabler politischer Partner.

Die Erhöhung der Mehrwertsteuer findet der traditionell linke Landesverband Berlin problematisch. „Die Steuer ist ungerecht“, so der Landesvorsitzende Till Heyer-Stuffer. Die Ideen des Münsteraner Appells begeistern ihn auch nicht restlos: „Das klingt ja schön, aber wie soll das finanziert werden?“ Außerdem sei das Ziel der Grünen nicht die Opposition. Wenn sich mit der SPD regieren lasse, dann werde man das auch tun.

In Hessen stößt das Papier ebenfalls auf Skepsis. „Links Neu“-Mitglied al-Wazir sorgt sich um die Finanzierung der Forderungen. „Bei dem Papier erkenne ich nicht, wie die Kosten gedeckt werden sollen. Es ist typisch altlinks.“ Was eine neulinke Haltung wäre, bleibt im Dunkeln. „Wir warten die Programmvorschläge des Bundesvorstandes ab und stellen Änderungsanträge, wenn wir den Bedarf sehen“, so al-Wazir. SOLVEIG WRIGHT