lei­bes­übun­g*in­nen
: Im Spiel- und Redefluss

Die erst 19-jährige US-Amerikanerin Coco Gauff gewinnt ihr erstes Grand-Slam-Turnier und kann mehr als Tennis

Siegerreden beim Tennis sind immer eine heikle Angelegenheit. Es gibt Profis, die beherrschen diese Kunst. Roger Federer konnte wunderbare Worte ans Publikum richten, wenn er mal wieder was gewonnen hatte. Charmant, gewitzt, jedes Wort saß beim Schweizer Altmeister. Coco Gauff, die neue US-Open-Siegerin, ist zwar erst 19 Jahre jung. Aber das Reden gehört auch schon zu ihren größten Stärken.

Das Fiese nach Grand-Slam-Endspielen: Auch die Verlierer müssen ein paar Worte ins Mikrofon sprechen. Am Samstagabend in New York traf es die unterlegene Aryna Sabalenka. Die Weißrussin, eine urgewaltige Tennisspielerin, war unendlich traurig, aber weil sie versuchte, ihre Tränen mit einem aufgesetzten Lachen zu überspielen, wurde die ganze Angelegenheit zu einem tragischen Stück Tennis-Historie, zu der auch die Interviewerin, die ehemalige Tennisspielerin Mary Joe Fernandez, ihren Teil mit einer schlechten Fragetechnik beitrug. Schließlich wurde Aryna Sabalenka, die gut und dominant in dieses Endspiel gestartet war, erlöst. Coco Gauff war an der Reihe, und man hätte dem Teenager noch die halbe Nacht zuhören können. So klug und reflektiert wie die junge Frau aus Georgia/USA hatte man lange niemanden mehr aus der Tennis-Bubble vor Publikum sprechen hören.

Die Arthur-Ashe-Arena fasst knapp 24.000 Zuschauer. Die Atmosphäre war während des Matches über die gut zwei Stunden Spielzeit elektrisierend. Nach dem 2:6, 6:3 und 6:2-Erfolg von Gauff hingen die Fans an den Lippen ihrer neuen Heldin. Und die lieferte. Sie band bei ihren Danksagungen bis zum letzten Ballkind wirklich jeden und jede, die auch nur irgendetwas mit den US Open zu tun hatte, ein, foppte ihren Vater und „bedankte“ sich sogar noch bei ihren Hatern, die ihr nicht zugetraut hätten, irgendwann einmal einen großen Titel zu gewinnen.

Das habe sie zusätzlich angespornt, sagte sie. Dabei waren manche Kritiken im Vorfeld durchaus berechtigt. Mit 15 Jahren ging Gauffs Stern auf. 2019 in Wimbledon schaffte sie es als Ungesetzte bis ins Achtelfinale und schlug auch Venus Williams. Ein Wunderkind. Dachten viele. Gauffs Weg ging zwar auch weiter nach oben, es fehlten aber bis zu diesem Sommer die wichtigen Turniersiege. Im August gewann sie ein WTA-500er Turnier in Washington. Kurz danach auch das Masters-Event von Cincinatti. Der Grand-Slam-Sieg jetzt, das ist die logische Konsequenz von zwei fantastischen Wochen in New York. Klaus Bellstedt