Traum vom Glamour

IFA Kommende Woche eröffnet die Internationale Funkausstellung

■  Das Event: Vom 4. bis 9. September findet in Berlin die Internationale Funkausstellung IFA statt. Die Hallen unter dem Funkturm sind von 10 bis 18 Uhr geöffnet, die Tageskarte kostet 14, ermäßigt 10 €.

■  Der Mythos: Die IFA ist eine der ältesten Industriemessen, seit sie 1924 erstmals stattfand, wurden hier zahlreiche Weltneuheiten vorgestellt. Zum Beispiel 1932 dast erste Autoradio, 1977 der Videotext, 1979 die erste CD, 1999 der MP3-Player. 2008 wurden erstmals Haushaltsgeräte zugelassen.

VON JAN FEDDERSEN

Dass die Stadt diesem Ereignis entgegenfiebert, lässt sich wirklich nicht sagen. Man mag für die IFA, die Internationale Funkausstellung, sprechen, hält man fest, dass sie kurz nach den Sommerferien in Berlin abgehalten wird. Aber das war früher auch so, und da hat es trotzdem die halbe Nation nicht daran gehindert, nachgerade fiebernd Anteil zu nehmen am Geschehen unter dem Berliner Funkturm.

An innerstädtischen Plakatwänden ist die diesjährige IFA annonciert – auf den Bildern sieht man keine Interieurs, die Interesse wecken könnten: Drei junge Menschen mit zeitgenössischen Vollschmierfrisuren; zwei von ihnen halten Elektrogeräte in Händen, einen Fön und ein Etwas, eventuell ein Mixer. Eine Promotion, die für die IFA im Grunde einer habituellen wie produktionellen Insolvenzerklärung nahekommt. Denn die IFA hat einst wahrlich die Gemüter bewegt.

Eine kurze Suchbewegung auf YouTube gibt Aufschluss. 1967, vor 42 Jahren, zelebrierte die ARD vom Messegelände in Westberlin mit dem damaligen Außenminister Willy Brandt als Signalgeber die Zäsur vom Schwarzweiß- zum Farbfernsehen. Aus ziselierten Grautönen wurde eine fett-farbige Wirklichkeit. Das Fernsehen hatte noch die Funktion des Fernrohrs in die Welt; die größte Furcht von verschuldeten Menschen war damals, dass der Gerichtsvollzieher aus ihrer Habe auch den Fernseher entfernt. Erst Anfang der Siebzigerjahre verboten Gerichte in der Bundesrepublik die Pfändbarkeit von Fernsehgeräten. Fernsehen war so zwingend wichtig, weil es frei Haus bot, was dortselbst aus Prinzip nicht zu haben war: Unterhaltung rund um Showtreppen, Information aus aller Welt, Zerstreuung, Kontakt zum Außen – und Filme, was dem Medium das qualifizierende Nomen „Puschenkino“ eintrug.

Die IFA, deren erste Ausgabe 1924 noch „Große deutsche Funkausstellung“ hieß, kam insofern Ende der Sechzigerjahre zu ihrer Klimax: Das Volk fand Fernsehen toll und klasse, es fand es unverzichtbar, und die IFA zeigte – zunächst im Zweijahresturnus, inzwischen im Jahresrhythmus –, was Neues in puncto Fernsehtechnik bald in die Geschäfte kommt.

Auf der IFA sah man die ersten farbfähigen Geräte, Fernbedienungen, Aufzeichnungsgeräte (zunächst Video, dann DVD, mittlerweile Blu-ray), schließlich Techniken, mit denen sich das Fernsehen auch über das Internet auf den heimischen Computer, ja, zaubern ließ. Es machte nichts, dass es bei der IFA niemals einen Überbau gab, ein hochkulturelles Programm, bei dem mählich die Möglichkeiten des Fernsehens gerade in Konkurrenz zum Kino wie zum Theater hätten erörtert werden können. Die IFA, das war eine Industrieleistungsschau, die für Händler wie für das Publikum so geschäftsverpflichtend wie antörnend war.

Mehr als eine halbe Million Besucher haben vor dreißig Jahren die Schau besucht; 1967, im Jahr der europäischen Farbfernsehpremiere, unterfütterte die ARD die Ausstellung zudem mit einem „Gala-Abend der Schallplatte“, moderiert von Vivi Bach und Dietmar Schönherr, zwei Fernsehfiguren der Moderne. Sie baten Stars auf die Bühne, die damals jenseits der Landesgrenzen zur Glamourszene zählten, etwa Miriam Makeba und Nina Simone, auch in Deutschland rührige Popstars wie Gitte Haenning, Vicky Leandros, Wencke Myhre oder Udo Jürgens. Nix Volksmusikdumpfbackerei, kein Hauch von Provinzialität – Fernsehen sollte seine Weltfähigkeit mit Shows wie dieser unterstreichen.

Fernsehen, das lässt sich an der IFA ablesen, lohnt nicht mehr. Es ist ein Sound unter vielen

Und heute? Amy Macdonald oder der auferstandene Roland Kaiser werden in Szene gesetzt, sie auf ihrer wievielten Promotour auch immer, er als Dauerwiedergänger seiner selbst. Kommenden Freitag beginnt die IFA, selbst Optimisten erwarten nicht mehr als 200.000 Besucher. Fernsehen ist trivial geworden, und neue Techniken werden auch nur noch beifällig wahrgenommen, denn der nächste Elektrodiscounter hat die Produkte ohnehin in Bälde vorrätig.

Fernsehen, das lässt sich an der IFA ablesen, lohnt nicht mehr. Es ist zum Sound unter vielen geworden, nicht mehr zum Klang der Exzellenz, für den man ordentlich im Sessel Platz nimmt. Glamour muss woanders gesucht werden.

Wie wäre es denn mit einem Galaabend des modernen Fernsehens, moderiert von Stefan Raab? Als Gäste: Steve Jobs, Jerry Bruckheimer und Oprah Winfrey. Und dazu Coldplay, Gossip und Amy Winehouse. Aber die IFA ist eben doch nur eine Händlermesse.