Glückstreffer und Beutefrauen

Lidokino 7: Woody Allen macht bei den Filmfestspielen von Venedig eine gute Figur, Sofia Coppola zeigt das Leiden von Priscilla Presley

Fanny (Lou de Laâge) und ihr Ehemann Jean (Melvil Poupaud) Foto: La Biennale di Venezia

Von Tim Caspar Boehme

Manche Menschen glauben weder an den Zufall noch an das Glück. Sie wollen ihr Leben komplett nach ihren Vorstellungen und ihrem Willen gestalten. Unkontrollierbares oder Unvorhergesehenes stören dabei. Von zwei solchen Männern handeln zwei recht unterschiedliche Filme im Programm der Filmfestspiele von Venedig. Sofia Coppolas im Wettbewerb laufendes Biopic „Priscilla“ schildert in erster Linie, was es für ein trophy wife, eine repräsentative „Beutefrau“ bedeutet, wenn man einen Star zum Ehepartner hat. Und Woody Allens außer Konkurrenz gezeigter jüngster Film „Coup de chance“ erzählt von einer fiktiven Frau, die an der Seite eines erfolgreichen Mannes ihr Leben nach dessen Bedingungen führt.

„Priscilla“ beginnt 1959 in Hessen, wo Elvis Presley seinen Militärdienst leistet und die 14-jährige Schülerin Priscilla Beau­lieu, ihr Vater ist dort ebenfalls stationiert, sich schwer langweilt. Sie lernt, nachdem sie bei ihren Eltern um Erlaubnis fragen musste, den „King“ kennen, darf ihn sogar in seinem Haus, wo er mit dem Vater und der Großmutter wohnt, besuchen.

Sofia Coppola erzählt das langsame, aber unaufhaltsame Aufblühen dieser gegenseitigen Liebe mit sicherer Hand, ebenso wie den Wandel der Beziehung, als die immer noch zur Schule gehende Priscilla zu Elvis auf dessen Anwesen in Graceland zieht, wo sie bald heiraten. Von da an geht’s bergab. Elvis macht Priscilla mehr und mehr deutlich, dass sie ausschließlich für ihn da zu sein hat, während er sich alle Freiheiten nimmt, wie die vielen Filmdrehs, zu denen der damals viel als Schauspieler arbeitende Musiker häufig fährt, einschließlich der Affären mit Stars und Starlets.

Die Entwicklung Priscillas von einem entschlossen verliebten Mädchen zu einer jungen Frau, die schmerzvoll lernt, dass in dieser Konstruktion ein eigenes Leben für sie nicht vorgesehen ist, zeichnet der Film in eleganten Strichen. Eigentlich kein schlechter Entwicklungsroman, bei Coppola bleibt die Geschichte trotz guter Darbietungen der Hauptdarsteller Cailee Spaeny und Jacob Elordi trotzdem blass. Das Drama versackt in der sorgfältigen Ausstattung mit all ihrem Plüsch und den penibel akkuraten Kostümen, denen der Film mehr Gewicht zu geben scheint. Die echte Priscilla Presley hat sich als ausführende Produzentin beteiligt.

Weniger Aufhebens um die Ausstattung macht Woody Allen in „Coup de chance“. Seine Hauptfigur Fanny (Lou de Laâge) ist eine Frau, die meist schlicht, aber edel gekleidet ist, genauso wie ihr Ehemann Jean (Melvil Poupaud), der als Geschäftsmann in Paris Reichtum anhäuft, ohne dass Fanny oder seine Freunde genau sagen könnten, worin seine Arbeit eigentlich besteht.

Fanny lernt zu Beginn des Films einen ehemaligen Mitschüler ihres Manns kennen, Alain (Niels Schneider), ein Bohemien, der in Paris an einem Roman schreibt. Alain schlägt Fanny vor, sich zum Mittagessen zu treffen, sie willigt ein, aus dem einen Essen werden viele. Irgendwann geht sie mit in Alains Wohnung. Die Beziehung der beiden wächst Fanny über den Kopf. Und Jean ist ein so besitzergreifender wie eifersüchtiger Mann.

So weit, so klassisch konventionell die Geschichte. Woody Allen baut allerdings mit Fannys Mutter (Valérie Lemercier) eine Nebenfigur in die Handlung ein, die durch ihre freundlich penetrante Art für unerwartete Bewegung sorgt. Und den titelgebenden Glückstreffer platziert Allen so präzise, dass es im Kino Szenenapplaus gab. Warum nicht?