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: „Bremen hatte eine Vorreiterrolle“

Seit 50 Jahren gibt es das Konzept „Kunst im öffentlichen Raum“

Interview Benno Schirrmeister

taz: Frau Pfister, haben Sie nach über 30 Jahren Zuständigkeit für Kunst im öffentlichen Raum noch Interesse am Bremer Jubiläums-Programm zum Thema?

Rose Pfister: Klar, da bin ich neugierig. Ich habe ja im Vorfeld auch mit den Organisatorinnen etliche Gespräche gehabt. Besonders spannend finde ich die geführten Stadtspaziergänge, die neue, kritische Blicke aus künstlerischer Perspektive auf unseren großen Bestand werfen wollen, und auf die Gespräche mit internationalen Gästen.

Wieso: Sie haben doch an der Aufstellung der meisten dieser 680 Werke mitgewirkt?

Ich finde spannend, das Bekannte mit fremden Augen neu zu betrachten und zu erfahren, wie beispielsweise die schwedische Kuratorin Lotta Mossum die Kunst im öffentlichen Raum in Bremen wahrnimmt. Die Wahrnehmung und Bedeutung von Kunstwerken im öffentlichen Raum ändern sich über die Jahre, weil sich auch die Stadt und die Gesellschaft ändern.

… und auch die Idee der Kunst im öffentlichen Raum?

Natürlich. Viele gegenwärtige Künstlerinnen begreifen sich zum Beispiel als Aktivisten. Das finde ich mitunter schwierig: Kunst braucht auch Distanz zu den Bewegungen, auf die sie sich bezieht. Das fehlt mir manchmal. Aber auch das wird ja Thema sein bei den Vorträgen und Publikumsgesprächen. Da sind auch Kolleginnen aus Schweden, Italien und dem Kongo. Dieser internationale Dialog ist etwas, was wir in den letzten Jahren in Bremen vernachlässigt haben: Als Haushaltsnotlageland hatten wir das Geld nicht, um die Leute einzuladen. Wenn man aber in dieser Stadt auch in Zukunft mit Kunst öffentlich Diskurse mitgestalten will, ist es nötig, sich dem Blick von außen zu stellen – und auch zu schauen, was dort gemacht wird.

Jubiläum: Changing the City. Eröffnung: 31. 8., 19 Uhr Städtische Galerie, Bremen Buntentorsteinweg 112. Zuvor ab 17.30 Uhr Prozessionen mit aufblasbarem König und kopflosem Esel ab Domsheide bzw. Kunsthalle. Programm bis 22.9.: kunst-im-oeffentlichen-raum-bremen.de

Wenn es im eigenen Saft köchelt, macht sich Bremen auch kleiner, als es ist: Als Pionier der Kunst im öffentlichen Raum nahm die Stadt ab 1973 teil an einer internationalen Strömung …

Ja. Das war eine der weltweit wichtigen Bewegungen, und Bremen hatte dadurch, dass es dieses Programm vor 50 Jahren gesetzlich festgeschrieben hat, eine Vorreiterrolle. Der Denker, der das hier initiiert hat, war neben dem Rektor der Kunsthochschule Felix Müller der Leiter der Kulturbehörde Volker Plagemann. Sein Buch „Kunst im öffentlichen Raum“ ist nach wie vor ein Standardwerk.

Beim Wechsel nach Hamburg hat er das Programm auch dort etabliert.

Ja. Und dass sich dieses Programm so lange hält, 50 Jahre, und eben auch in anderen Städten aufgegriffen wurde, ist etwas sehr Besonderes. Es zeigt, dass es die nötige Flexibilität hat, um sich immer wieder neu anzugleichen an die Debatten der Zeit und der Orte, die sich selbst auch ändern.

Was heißt der Wandel für die Werke?

Foto: privat

Rose PfisterKunsthistorikerin, Vorstandsvorsitzende der Stiftung Bremer Bildhauerpreis, war von 1987 bis 2020 Leiterin des Referats für Kunst im öffentlichen Raum beim Kultursenator Bremen.

Das ist die zweite große Frage für die Zukunft von Kunst im öffentlichen Raum: Die Erhaltung, Pflege und wie man es schafft, den Werken, die ihre Bedeutung im öffentlichen Raum verloren haben, respektvolle Aufbewahrungsorte zu ermöglichen.

Im Museum wandern sie ins Depot …

Die Idee eines Depots bräuchten wir für Kunst im öffentlichen Raum eben auch. Wie sollte ein solches Depot aussehen? Wo könnte es sein? Es gibt nur wenige Beispiele, persönlich besichtigt habe ich nur den Szoborpark in Budapest. Aber an dem wird man sich nur bedingt orientieren können: Dorthin sind nach 1989 die Unmengen von Politdenkmälern aus der Stadt verfrachtet worden, die andernorts oft zerstört wurden. Interessanterweise sind die Werke dort, dem propagandistischen Diskurs entzogen, tatsächlich wieder viel mehr als Kunst wahrnehmbar: Es ist das Können der Künstler, mit Material umzugehen, das den Blick lenkt.