Scheitern an der Historie

Der Maler Bernhard Heisig wird zum 80. Geburtstag mit einer großen Retrospektive im Düsseldorfer K20 geehrt, die Kanzler Gerhard Schröder eröffnete. Die Ausstellung bleibt erstaunlich unkritisch

VON KÄTHE BRANDT

Gequälte Leiber, marschierende Uniformierte, schreiende Gestalten in vollgestopften Bildlandschaften. Als einer der wichtigsten und seltsamerweise gar nicht mehr umstrittenen DDR-Maler wird Bernhard Heisig (geboren 1925 in Breslau) heute auch im Westen als bedeutender Künstler wahrgenommen. Dabei gelten seine Arbeit sowohl als widerständig und auch repräsentativ für die offizielle DDR-Kunst. Diese Ambivalenz ist symptomatisch für das Werk und für seine Rezeption in Ost und West. Wenn auch seine öffentliche Anerkennung bis in die 1970er Jahre auf sich warten ließ, waren seine Aktivitäten als Kulturpolitiker, als Vizepräsident des Verbandes Bildender Künstler der DDR (1974-1988), als Rektor der Leipziger Akademie (1961-64 und 1976-87) und vor allem wohl als Lehrer doch unumstritten wirkungsvoll. Sowohl für seine eigene künstlerische Karriere als auch für die Fortsetzung einer Tradition, für die sein Werk bis in die Gegenwart steht.

Mit den inzwischen verstorbenen Malern Werner Tübke und Wolfgang Mattheuer wird er als Gründungsvater der so genannten ersten „Leipziger Schule“ bezeichnet, deren Kennzeichen die nie in Frage gestellte Gegenständlichkeit ist. Die naturalistischen Figurationen dieser Großväter-Generation befassen sich mit modernen Mythen, mit der jüngeren oder älteren Geschichte und mit eigenen, sowie kollektiven Kriegs-Erlebnissen. Eine ausdrucksvolle bis obsessive Detailversessenheit zeichnet die Bilder Heisigs aus, die jetzt in der Düsseldorfer NRW Kunstsammlung zu sehen sind. Einzelne Motive werden wiederholt und in unzähligen Variationen umkreisen sie die immer gleichen Themen. Anscheinend gegen alle Strömungen der modernen Kunst imprägniert, hat sich bei Heisig eine expressionistische Historienmalerei gehalten, die sich immer wieder auch für politische Zwecke hergab oder vereinnahmen ließ. Für die Partei schien der Künstler allerdings stets politisch verdächtig. Die Bilder der Pariser Kommune, ein beliebtes Motiv nationaler Identitätsfindung, werden bei ihm zu einem Bürgerkriegsspektakel, das sich nicht mehr zur offiziellen Repräsentation eignen.

Anpassungsfähigkeit und politische Geschmeidigkeit wurde Heisig von Funktionären wie auch von Dissidenten aber wohl zu Recht vorgeworfen. Anerkennung fand er letztlich aber in beiden Lagern – wegen seiner malerischen Könnerschaft und seiner politischen Einflussnahme für die Kunst. Die aktuelle Ausstellung bleibt dennoch erstaunlich unkritisch: Sowohl sein zweifelhaftes Engagement im Nationalsozialismus, als auch sein kulturpolitischer Opportunismus werden nur andeutungsweise im Katalog behandelt. Doch die Frage nach der künstlerischen Konzeption und Aktualität der Arbeiten stellt sich anlässlich der feierlichen Großausstellung nun erneut. Heisigs Bilder mögen für die in die Geschehnisse verstrickten Zeitzeugen und Weggenossen des Künstlers eine gewisse therapeutische Wirkung besitzen. Sie stehen allerdings in ihrer penetranten, die Schrecknisse ausführlich auskostenden Figürlichkeit im Widerspruch zu Adornos strengem Diktum, dass es nach Auschwitz keine gegenständlichen Bilder mehr geben könne. Und gerade in den hilflos-besessenen Versuchen, die Erinnerungen in eine gültige malerische Form zu zwingen, bestätigt Heisigs Kunst die Zwangsläufigkeit dieses Scheiterns.

Inzwischen in der dritten Generation bindet die „Neue Leipziger Schule“ etliche Künstler der jüngeren Generation in einem fragwürdigen Genie-Mythos zusammen. All die Maler, die unter dem Label “Leipzig“ firmieren, sind momentan international äußerst erfolgreich. Sie spielen den Trumpf einer vermeintlichen deutschen Innerlichkeit in ihren darstellenden, mitunter neurotisch realistischen Bildern aus. Dass das Etikett zumeist in unreflektierter Weise weitergetragen wird und nun erneut eine Gruppierung von Künstlern bezeichnet, die nicht wirklich programmatisch verbunden sind, sondern jeder für sich den aktuellen Malereidiskurs um Bild und Figuration beherrschen, wird dabei leicht vergessen. Bernhard Heisig jedenfalls distanziert sich im Nachhinein von einer solchen Zuschreibung und beharrt auf seiner Eigenständigkeit. Seine im Ausstellungstitel beschriebene Wut richtet sich vermutlich aber darauf, dass sein Projekt der malerischen Vergegenwärtigung von Historie nicht wirklich gelingen konnte.

Die Wut der BilderKunstsammlung NRWBis 25. September 2005