wortwechsel
: Letzte Lkw-Generation – Selbstjustiz auf der Straße?

Neue Strategien braucht das Land? Ein Lkw-Fahrer schleift KlimaaktivistInnen brutal von der Straße, fährt einen Mann fast über den Haufen. Wer will Faustrecht gegen Blockaden?

Dieser Lkw (bei einer Blockade in Berlin) hielt selbstverständlich an. Der Fahrer war sich der potenziell tödlichen Macht seines Riesenfahrzeugs sehr wohl bewusst  Foto: Fo­to:­ Paul Zinken/dpa

„Schlechtes Vorbild: Gegen die Letzte Generation formiert sich eine Allianz der Arschlöcher“, wochentaz vom 22. 7. 23

Text vorab veröffentlicht auf taz.de:

„Kli­ma­ak­ti­vis­t:in­ von Lkw angefahren: Selbstjustiz in Stralsund okay. Ein Lkw-Fahrer hat in Stralsund bei einer Blockade ei­ne:n Kli­ma­ak­ti­vis­t:in angefahren. Nun werden für ihn Spenden von rechter Seite gesammelt“,

taz.de vom 20. 7. 23

Woher kommt der Hass?

Zur Aktion der „Letzten Generation“ in Stralsund und der unangemessenen und kriminellen Reaktion eines Lkw-Fahrers, fragen Sie: Woher kommt der Hass auf die Ak­ti­vist:­in­nen der „Letzten Generation“? Nun, zum Teil sicherlich daher, dass Menschen von den Aktionen betroffen sind, die nichts dafür können. Wenn eine junge Mutter mit ihrem kranken Kind zum Arzt möchte, zu einem Termin, auf den sie sehr lange warten musste und der für das Kind extrem wichtig ist, dann entsteht da mehr als nur Ungeduld, wenn sie wegen einer Straßenblockade im Stau steht. Das andere ist: Wenn sich die Leute ärgern, weil sie im Stau stehen, dann denken sie nicht über die Gründe nach, nicht über die Sinnhaftigkeit. Sie sind einfach wütend. Wenn dann noch Strafzahlungen, Abmahnungen oder andere unangenehme Folgen daraus resultieren, dann entsteht Frust, der sich irgendwann Bahn bricht. Ihre von den „Klimaklebern“ der „Letzten Generation“ ebenfalls total genervte

Anke Sprotte aus Bielefeld

Keiner ist eingeschritten

Ich habe mir das von der taz verlinkte Video der Ostsee-Zeitung auf Twitter angeschaut. Ein dermaßen aggressiver Lkw-Fahrer geht gegen eine junge Frau mit so einer Brutalität vor, dass mir als Mann dabei schlecht wird und ich mich nur frage, weshalb da keiner gegen diesen durchgedrehten Wüterich eingeschritten ist. Danach bedrohte er die junge Frau auch noch mit geballter Faust. Anschließend fährt er mit seinem Laster gegen den jungen Mann, der neben ihr auf der Straße sitzt, und schiebt ihn mit seinem Lkw weg. Ich hoffe, dass der Richter sich das Video ganz genau anschaut und entsprechend urteilt, denn solche Lkw-Fahrer braucht Deutschland bestimmt nicht auf seinen Straßen. Zitat taz: „Dass die Gesellschaft immer weiter zu Team Verdrängung kippt, beweisen die Spendenaktionen eindrücklich. In kollektiver Realitätsverweigerung formiert sich gerade eine gesellschaftliche Allianz der Arschlöcher, die die Klimabewegung vor neue Herausforderungen stellt.“ Danke taz, besser hätte man es wirklich nicht formulieren können. Ricky-13 auf taz.de

Bei dieser Aktion frage ich mich: Klima­kleber, ohne angeklebt zu sein? Vor Ort auch 2 professionelle Kameras – welch Zufall? Da stellt sich mir doch die Frage: War das alles inszeniert? Und warum? Um ein „Vorbild“ gegen Klimaaktivisten zu sein: ich als (Lkw-)Fahrer lasse mir nicht alles gefallen und jetzt bist du dran? Allerdings hat dies rein gar nichts mit der wichtigen Zivilcourage zu tun, die wir langsam, aber sicher gegen den rechten Mob benötigen. Ich erinnere mich ungern an die Frage in den 1980ern, an unsere Großeltern: Wieso habt ihr damals nichts gegen die Nazis unternommen? 100 Jahre später kommen wir hoffentlich nicht wieder zu dieser Frage! Anne Müller, Ludwigsburg

Alle „Bastionen“ sehen

Hallo taz, natürlich ist es absolut nicht zu rechtfertigen, wenn ein Lkw-Fahrer zur Selbstjustiz greift und dabei jemanden verletzt. Zur Motivation der „Klimakleber“ möchte ich sagen: Man kann richtige Ideen haben und trotzdem das Falsche tun! Mehr als ungelenkte Aufmerksamkeit kann man so nicht erreichen, ein inhaltlicher Lösungsvorschlag ist darin nicht enthalten. Die Nötigung, die mit diesen Aktionen verbunden ist, wird damit fehlgeleitet: So kommt die Aggression und der Hass zustande. Primitive Reflexe, die ebenfalls fragwürdig sind, aber Realität! Eindeutig tendenziöse Berichterstattung löst das Problem nicht auf. So bleiben alle Standpunkte unverändert. Ich würde mir deshalb, gerade von Ihnen, eine Berichterstattung wünschen, die versucht, die verschiedenen Bastionen (alle!) transparenter darzustellen und damit nachvollziehbar zu machen, und keine eindeutige Sympathie für ein zweifelhaftes Vorgehen. Klaus-Peter Spieler, Friedberg

Ihre Ausdrucksweise ist vulgär. Wenn Sie viel für den Klimaschutz tun wollen, nehmen Sie Ihren Reportern alles weg, was mit einem Motor fährt, und stellen ihnen Fahrrad und Rollschuhe zur Verfügung. Holk Stetter, Mühlacker

In ihrem Artikel werden diejenigen, die gegen die Aktivisten handeln, gleichgesetzt mit Verleugnern der Klimakrise. Das trifft so nicht zu. Wenn man dann auch noch davon ausgeht, dass ein fahrender Lkw weniger Emissionen produziert als ein im Stau stehender, der die Strecke danach noch bewältigt, wird sehr schnell klar, wie kontraproduktiv das Verhalten der Klebeaktivisten ist.

Name ist der Redaktion bekannt

Laut Tagesschau ist der Anteil der Wutbürger, die die Aktionsformen der Letzten Generationen ablehnen, auf 85 Prozent der Bevölkerung gestiegen. Rudolf Fissner

Ich bin zwar auch Sympatisant der Klimaaktivisten – ich bin froh, dass sie das machen, was sie machen –, auch wenn ich nicht alles zielführend finde. Aber dieser Bericht ist sooo tendenziös geschrieben. Wenn Worte wie Arschlöcher, Ausbeuter von Seiten des Journalisten benutzt werden, das ist eher der Jargon der Rechtsmilitanten und schreckt mich ab. Einen gewissen Rahmen an „Neutralität“ erwarte ich von einem Journalisten – dieser Bericht klingt nach „Blase“.

Hermann Knoll, Weißenhorn

An solcher Gewalt tragen zu einem Teil auch die Bürgerlichen und deren Medien Verantwortung, die den Fokus auf den kriminellen Aspekt der Gesetzesüberschreitungen der Aktionen des zivilen Ungehorsams gelegt und einen Law-and-Order-Diskurs angefacht haben.

Uranus auf taz.de