Nigeria bei der Fußball-WM: Randys Rant
Nigerias Trainer hat sich mit dem Verband zerstritten. Dabei geht es um mehr als Geld, es geht um den Status Nigerias im afrikanischen Fußball.
Randy Waldrum wirkte doch recht zufrieden nach dem 0:0 der von ihm betreuten Nigerianerinnen gegen Kanada. Dass Torhüterin Chiamaka Nnadozie dabei einen Elfmeter von Kanadas ewiger Angreiferin Christine Sinclair gehalten hat, beglückte den Trainer ganz besonders. „Chiamakas Parade hat uns regelrecht entflammt und wir haben gemerkt, dass da immer noch etwas ist, für das es sich zu spielen lohnt und dass der Berg, den es zu erklimmen galt, nicht zu hoch für uns war.“
In bester US-amerikanischer Trainermanier bemühte er die ganz großen Worte. Und doch sagte er auch, dass „wir uns verbessern müssen“, wenngleich er zufrieden damit war, wie sich das Team präsentiert hat. Am Donnerstag im Spiel gegen Gastgeber Australien (12 Uhr, ZDF) gelingt es dann ja vielleicht auch, Starstürmerin Asisat Oshoala vom FC Barcelona besser in das Spiel zu integrieren. Die war im defensiven und arg passiven 4-5-1 Nigerias oft auf sich alleine gestellt.
Es ist also einiges zu tun für Trainer Waldrum und sein Team. Er kann sich mit Fußball beschäftigen und all die Fragen um ausbleibende Zahlungen und die Einmischung des nigerianischen Fußballverbands in die Kaderzusammenstellung erst mal ausblenden. Dabei haben es diese Fragen in sich. Waldrum selbst war es, der auf sie aufmerksam gemacht hat. Im Podcast „On the Whistle“, der sich dem afrikanischen Fußball widmet, erzählte er eine finstere Geschichte über den nigerianischen Fußballverband nach der anderen.
Die meisten davon drehen sich um Gehälter und Prämien, die nicht gezahlt worden sind. Betroffen ist auch er selbst. Bis Juli habe der Verband ihm 14 Monatsgehälter geschuldet. Dann habe er gezahlt, aber eben nur sieben Monatsgehälter. Zu Turnierbeginn ist der Verband schon wieder mit acht Gehältern im Rückstand. Vielleicht trifft ihn das persönlich nicht allzu hart. Denn Waldrum macht den Job nur in Teilzeit. Er ist auch noch Trainer der Pittsburgh Panthers, des College-Teams der University of Pittsburgh.
Spielerinnen im Ausstand
Aber da sind ja auch noch die Spielerinnen. Auch die müssen immer wieder monatelang auf ihre Prämien warten. Fast zwei Jahre hatten sie kein Geld bekommen, als sie im Sommer des vergangenen Jahres zum Afrika-Cup nach Marokko geflogen sind. Dort sind sie im Halbfinale im Elfmeterschießen gegen die Gastgeberinnen ausgeschieden und waren ihren Status als führende Fußballnation Afrikas los. Mit zwei Ausnahmen hatte Nigeria seit 1991 den Afrika-Cup immer gewonnen. Nun war im Halbfinale Schluss. Das Spiel um den dritten Platz verloren die „Super Falcons“ dann noch gegen Sambia.
Zu der Partie gehört indes eine Vorgeschichte, von der Waldrum in dem Podcast berichtet. Eigentlich nämlich hatten die Spielerinnen nicht vor, zum Halbfinale anzutreten, bevor nicht die Prämienfrage geklärt ist. Ein Streik stand im Raum. Verbandsverteter seien nach Marokko geflogen, um die Wogen zu glätten. Es kam zu einer Aussprache, von der bis zu Waldrums Einlassungen in diversen Podcasts lange niemand etwas erfahren hat.
Der Verband habe Geld mitgebracht, weniger allerdings, als den Spielerinnen zugestanden habe. Genug allerdings, um die Wogen zu glätten. Das Spiel um Platz drei fand statt und Nigeria verlor mit 0:1 gegen Sambia – durch ein Eigentor von Torhüterin Chiamaka Nnadozie übrigens, der Heldin aus dem WM-Auftaktspiel der Nigerianerinnen.
Rausschmiss der Co-Trainerin
Doch damit ist die Geschichte nicht auserzählt. Im zweiten Teil der Story geht es um Nnadozies Back-up, die Ersatztorhüterin Tochukwu Oluehi. Die habe in der Sitzung, so erzählt es Waldrum, gesagt: „Ihr erzählt uns jedes Jahr das Gleiche. Ihr könnt doch nicht einfach herfliegen und denken, wir würde euch diesmal glauben.“
Das war zu viel für den Verband, der sich nicht scheut, kritische Spielerinnen zu suspendieren. Oluehi verschwand aus den Kaderlisten der nächsten Spiele. Um wieder eine Chance zu haben, musste sie einen Entschuldigungsbrief an den Verband schreiben. Nachdem sie das getan hatte, setzte Waldrum sie auf die Liste mit den Spielerinnen für die WM.
Das wiederum passte dem Verband nicht. Der wollte, dass Waldrum eine junge Keeperin aus einem nigerianischen Klub mitnimmt. Doch der Amerikaner spielte nicht mit. Er sei der Trainer und er bestimme, wer spielen darf, meinte er. Außerdem habe er keine Möglichkeit gehabt, eine Spielerin in Nigeria zu scouten, weil das Trainingslager, bei dem dies möglich gewesen wäre, aus Kostengründen vom Verband gecancelt worden sei.
Die Reaktion des Verbands ließ nicht lange auf sich warten. Wenn der Verband schon nicht in den Kader eingreifen könne, dann kann er ja sein Recht ausüben, was die Zusammenstellung des Trainerteams betrifft. Und so flog Waldrums Assistentin Lauren Gregg, eine erfahrene Trainerin, die interimsweise mal die USA gecoacht hat, aus dem Betreuerteam.
Wo ist die Fifa-Million?
Überhaupt das Trainingslager. Eigentlich sollte das Team vor dem Abflug nach Australien in Nigeria zusammenkommen. Waldrum erzählt, der Verband habe es sich nicht leisten können. Die Fifa schreibe vor, so habe man es ihm gesagt, dass die Spielerinnen Business Class nach Australien fliegen müssen und so sei einfach kein Geld mehr dagewesen. „Ich frage mich schon, wo das Geld der Fifa geblieben ist“, meint dazu Waldrum und spielt auf die gut 950.000 US-Dollar an, die der Weltverband jedem Team für die Vorbereitung auf das Turnier zur Verfügung stellt.
Der Verband reagierte umgehend auf die Vorwürfe Waldrums. Sprecher Ademola Olajire nahm dabei kein Blatt vor den Mund. Wadrum sei der „mit Meilen Abstand schlechteste Trainer“, den Nigeria je gehabt hat und einer, dem es einzig und allein darum gehe, mal ein Team bei einer WM zu coachen, damit sein Lebenslauf besser aussieht. Zudem sei er ein „Klatschmaul“. Ob der denn glaube, dass die Reisen zu Testspielen in die Türkei und nach Japan sowie das 15-tägige Vorbereitungscamp im australischen Gold Coast umsonst zu haben seien. Und die Co-Trainerin? Die sei während des Afrika-Cups todkrank gewesen. Alle hätten Angst um sie gehabt. Demnach soll Waldrum wohl froh sein, dass man die 63-Jährige erst mal los ist.
Und was die Torhüterinnen angeht, auch dafür hat Verbandssprecher Olajire eine eigene Version. Wadrum hätte ruhig eine junge Keeperin mitnehmen können. Denn die 33-jährige Yewande Balogun, Waldrums Wahl, habe zuletzt gar nicht mehr gespielt. Sie habe ihre Karriere, die sie zuletzt als Ersatztorhüterin zum französischen Zweitligisten St. Étienne geführt hat, eigentlich schon beendet, um Torwarttrainerin zu werden.
Es ist ein irrer Streit, der da tobt und niemand hätte sich gewundert, wenn der Fußballverband Nigerias seinen Trainer noch vor dem Turnier rausgeschmissen hätte. Doch nun leitet er die Trainingseinheiten in Australien und muss ebenso wie seine Spielerinnen so tun, als sei nichts gewesen. Als er bei einer Pressekonferenz auf die Streitigkeiten angesprochen wurde, meinte Coach Waldrum nur: „All das ist vor unserer Ankunft passiert. Seit wir angekommen sind, gilt die volle Konzentration den Gegnerinnen.“
Das Ziel bleibt die Qualifikation für das Achtelfinale. Nach dem Spiel gegen Australien am Donnerstag geht es im Gruppenfinale noch gegen Irland. Doch eigentlich geht es um mehr als diese WM. Es geht um den Status als führende Fußballnation in Afrika. Randy Waldrum wird wissen, was man von ihm erwartet.
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