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berliner szenenPost vom Fußball­freund

Fast einen Monat lang hatte ich im Urban-Krankenhaus in der „Krisenintervention“ gewohnt. Seit fünf Tagen bin ich wieder zu Hause.

In die Notaufnahme kam ich nach Sprachstörungen, aphasischen Störungen. Ich hatte nur noch 48 Kilo gewogen. Im Kopf hatte ich fast immer gewusst, was ich sagen wollte. Nur die Worte kamen nicht über die Lippen. Unmittelbarer Auslöser war ein Streit darüber, wo M. begraben werden soll. D. und S. waren für ein Armenbegräbnis in Mitte. Ich hatte angeboten, die Beerdigung aus eigener Tasche zu bezahlen.

Dann waren die ersten Sprachstörungen aufgetreten. Als ich Zigaretten kaufen wollte, konnte ich nichts sagen. Einem Freund, dem ich zum ersten Mal seit fünf Jahren vor der Kirche am Blücherplatz begegnete, konnte ich nur sagen, dass ich Sprachstörungen habe.

Zur Notaufnahme begleitete mich eine alte Freundin. Der Einlasstest war schwierig. Auf der Station hatte ich sehr nette MitpatientInnen. Alles wurde untersucht, vor allem der Kopf. Ich las einen Roman vor Vargas Llosa. Guckte „Tatort“. Gewöhnte mir an, morgens vor acht Uhr aufzustehen.

Ich postete zum ersten Mal seit drei Jahren in dem Verteiler der Autoren-Nationalmannschaft, lange hatte ich bei der Autonama trainiert. Ein Kollege, der bei der Autonama spielt, schrieb mir eine Mail, in der er um gute Worte für seine neue Veröffentlichung bat. Ich schrieb zurück, dass ich gerade in der Psychiatrie bin und ihm deshalb nicht helfen könne.

Er schrieb mir dann, dass er vor zweieinhalb Wochen einen Schlüsselbeinbruch hatte, eine Metallplatte eingeschraubt bekam, „seit gestern ohne Orthese, seit heute ohne Schmerzmittel, Sportverbot für zwei Wochen“. Und dass ich „für E-Mail-Verhältnisse recht viel“ schreiben könne. Dazu ein Foto mit nacktem Oberkörper ohne Kopf. Detlef Kuhlbrodt

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