die dritte meinung
: Deutsche Wirtschaftssicherheit hat Vorrang bei der Chinastrategie, sagt Nora Sausmikat

Am letzten Tag vor der parlamentarischen Sommerpause wurde sie geboren: die allererste Chinastrategie der Bundesrepublik. Angekündigt war sie schon Februar, da gab es aber nur eine versehentlich geleakte Version, die Urgewald bereits an dieser Stelle kommentierte.

Deutsche Wirtschaftssicherheit hat Vorrang, die Chinastrategie und was nach der Sommerpause aus ihr gemacht wird, soll allen Unternehmen – großen, kleinen, mittleren – zu gutekommen und damit der gesamten deutschen Gesellschaft.

Fazit: Die jetzt veröffentlichte Version hat immer noch einen Wirtschaftsfokus. Aber: Unsere Empfehlungen wurden in den Bereichen Klimaschutz und Menschenrechte zu 50 Prozent aufgenommen. Zu 50 Prozent nicht.

Was fehlt: das Wort „fossile“. Kein Ausschluss fossiler Investitionen. Deutsche Kreditinstitute dürfen weiter mithelfen, dass die chinesische fossile Industrie profitabel bleibt. Aber: Investitionsgarantien und Zölle sollen Menschenrechte schützen und Lieferketten nachhaltiger machen – eine gute Nachricht. Und noch besser: Bei geopolitischen Risiken kann die Deckung der Investitionsrisiken auch zurückgenommen werden. Was fehlt: die Einbeziehung des Schutzes der Zivilgesellschaft und der Menschenrechte beim Ausbau der Klimapartnerschaften.

Nora Sausmikat

ist habilitierte Sinologin. Sie leitet den China-Desk bei Urgewald und analysiert Chinas globale Rolle vor allem im Bereich Klima- und Menschenrechtspolitik.

Somit ist die Strategie zwar ein klares Bekenntnis zu universellen Menschenrechten, zur regelbasierten Ordnung, zur Notwendigkeit von zivilgesellschaftlichem Austausch und Klima- und Umweltschutz. Aber eben auch eine Unterstützung des Ein-China-Prinzips. In Zeiten des Krieges und der Polarisierung der Welt war die Entscheidung sicher ein Zugeständnis an den chinesischen Premier bei den Regierungskonsultationen im Juni. Annalena Baerbock bezeichnete die „Straße von Taiwan“ als Lebensader der Weltwirtschaft und die Spannungen um Taiwan als eine Gefahr für die Welt. Das findet sich so deutlich nicht in der Strategie. Bei der Ausgestaltung der Instrumente der Strategie muss die Zivilgesellschaft beteiligt werden.